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Wie Männer Gleichstellung am Arbeitsplatz fördern können – 10 Tipps

Wie können sich Männer für die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz einsetzen? Zehn kleine Anregungen mit grossem Effekt.

Wie können Schweizer Männer die Gleichstellung der Geschlechter fördern? 10 Tipps. - mal ehrlich

In den fünf Jahren, die ich schon in der Schweiz lebe, habe ich mit Dutzenden von männlichen Kollegen, Kunden, Studenten und Journalisten zu tun gehabt. Ich kann jede Gelegenheit aufzählen, in der sich ein Mann für die Gleichstellung der Geschlechter eingesetzt hat. Ich kann mich an jedes Mal erinnern, weil es so einen spürbaren Unterschied gemacht hat.

Eine Frau mit beruflichen Ambitionen in der Schweiz zu sein, ist nichts für schwache Nerven.

Sicherlich sind Frauen überall auf der Welt mit Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz konfrontiert. Das Ausmass der Diskriminierung am Arbeitsplatz in der Schweiz ist jedoch schockierend für Frauen, die in vergleichbaren Ländern ausgebildet wurden. Dies zeigt sich am durchweg schlechten Abschneiden der Schweiz im Glass Ceiling Index des internationalen Nachrichtenmagazins «The Economist», wo die Schweiz direkt vor der Türkei, Südkorea und Japan liegt.

Glücklicherweise engagieren sich viele Männer dafür, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben. Gerne präsentiere ich nachfolgend einige bewährte Vorgehensweisen, die ich bei männlichen Kollegen beobachtet habe, damit gleichgesinnte Männer diesem Beispiel nacheifern können.

10 Tipps für Männer, um die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen

Bevor ich beginne, möchte ich einen einfachen Test vorschlagen, mit dem man feststellen kann, ob ein Verhalten als Geschlechterdiskriminierung ausgelegt werden kann oder nicht.

Dieser Test liefert nicht in 100 Prozent der Fälle die richtige Antwort, aber er bringt uns in etwa 80-90 Prozent der Fälle ans Ziel, was eine enorme Verbesserung gegenüber dem Status quo ist, bei dem einige Leute behaupten, dass ein Verhalten nicht sexistisch ist, wenn es nicht von einer ausdrücklichen Verurteilung von Frauen begleitet wird.

Ich schlage folgenden Test vor:

Ein Verhalten am Arbeitsplatz ist dann diskriminierend, wenn man einen Mann in einer ähnlichen Situation nicht auf die gleiche Weise behandeln würde, und wenn das Verhalten dazu führen könnte, dass sich eine vernünftige Person jeglichen Geschlechts nicht respektiert fühlt.

Inhaltsverzeichnis zum Drauftippen:

#1 Hört den Frauen zu und zeigt Einfühlungsvermögen, statt Ratschläge geben zu wollen

Wenn ich die weitverbreitete Geschlechterdiskriminierung in der Schweiz erwähne, erhalte ich in der Regel eine von drei Antworten von Männern:

1) «Es tut mir leid, das zu hören.»

2) «Wirklich? Das überrascht mich, das war mir nicht bewusst.»

3) «Was hast Du getan, um eine solch negative Reaktion zu provozieren?»

Die erste Antwort ist die hilfreichste. Einfühlungsvermögen bringt so viel. Ein einfaches «Es tut mir leid, das zu hören» gibt einem das Gefühl, nicht ganz so allein zu sein.

Auf Kommentar Nummer drei folgt oft ein Ratschlag, wie ich mein Verhalten ändern sollte, um Diskriminierung in Zukunft zu vermeiden. Das ist demoralisierend. Bevor eine Frau den Mut aufbringt, Geschlechterdiskriminierung anzusprechen, hat sie sich bereits dutzende Male gefragt, was sie hätte anders machen können, um die Diskriminierung zu vermeiden. Mit ziemlicher Sicherheit hat sie ihr Verhalten bereits geändert.

Sexismus bestraft Frauen für Dinge, die sie nicht oder nur mit schweren beruflichen oder persönlichen Einbussen ändern können.

Ich kann dem Sexismus in der Schweiz meistens (nicht immer) aus dem Weg gehen, indem ich mir Mühe gebe, meine Erfahrung, mein Talent und meinen Ehrgeiz zu verbergen. In einem früheren Job wurde ich angewiesen, meine Biografie für die Webseite der Organisation um die Hälfte zu kürzen, um sie an die Länge der Biografien meiner männlichen Kollegen in ihren späten Zwanzigern und frühen Dreissigern anzupassen.

Ich habe kluge Schweizer Frauen gesehen, die ihre Intelligenz verleugnet oder heruntergespielt haben, um keinen der Männer im Büro in Verlegenheit zu bringen. Die Schweizer Bescheidenheitsnorm ist ein schönes kulturelles Attribut, aber nicht, wenn sie selektiv angewandt wird, um den Status quo zu schützen und talentierte Frauen davon abzuhalten, ihr Bestes zu geben.

In einer Welt, in der Männer ihren beruflichen Status aufgrund ihrer Leistung und ihres Geschlechts erlangen, Frauen aber nur dann, wenn sie ihre männlichen Kollegen deutlich übertreffen, ist es meiner Meinung nach wichtig zu fragen: Wem hilft die Schweizer Bescheidenheitsnorm und wem schadet sie?

Einige andere Schweizerinnen, die ich kenne und die ernsthafte Karriereambitionen haben, haben die schlimmsten Formen der Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz vermieden, indem sie keine Kinder bekommen haben. Das ist natürlich in Ordnung, wenn sie wirklich keine Kinder haben wollten. Aber wenn sie es gerne gewollt hätten – mein Gott, was für ein Opfer. Wir würden nicht im Traum von einem Mann erwarten, dass er auf Kinder (oder mehr als ein Kind) verzichtet, weil sie seine Karriere beeinträchtigen könnten.

Uns Frauen für den erlebten Sexismus verantwortlich zu machen und dann Ratschläge zu erteilen, was wir dagegen tun können, ist insofern problematisch, als dass solche Ratschläge meist auf unzureichenden Informationen beruhen. Spontane Ratschläge, die auf der eigenen persönlichen Erfahrung als Mann in der Schweiz beruhen, setzen sich meist nicht ausreichend mit der vorherrschenden Geschlechterdynamik auseinander.

Strategien, die für Männer funktionieren, funktionieren manchmal auch für Frauen. Aber oft gehen sie nach hinten los.

Nehmen wir zum Beispiel den häufig geäusserten Ratschlag, dass Frauen «einfach besser verhandeln müssen», wenn sie genauso gut bezahlt werden wollen wie Männer. Nun, es ist sicherlich richtig, dass viele Menschen – unabhängig vom Geschlecht, mich selbst eingeschlossen – ihr Verhandlungsgeschick verbessern müssen. Aber das Lohngefälle auf die Annahme zu schieben, dass Frauen generell nicht so gut verhandeln können wie Männer, ist einfach falsch.

Die «Harvard Business Review» hat einen Artikel veröffentlicht, in dem die sozialen Kosten von Gehaltsverhandlungen für Frauen detailliert dargestellt werden. Entgegen der öffentlichen Meinung bitten Frauen (zumindest in den USA) genauso oft um Gehaltserhöhungen wie Männer; es ist nur weniger wahrscheinlich, dass sie diese erhalten.

Nachdem ich viele Artikel darüber gelesen hatte, wie Frauen ihre Jobangebote verhandeln müssen, habe ich tatsächlich versucht, mein Jobangebot bei einem Schweizer Start-up zu verhandeln, das von Männern in ihren Dreissigern geführt wurde.

Nach einem 45-minütigen Vorstellungsgespräch haben sie mir einen Job angeboten, vermutlich weil meine Fähigkeiten genau dem entsprachen, was sie suchten. Also versuchte ich zu verhandeln. Doch anstatt einfach Nein zu sagen, begann der CEO sogar, mich anzuschreien. Es ist schwer vorstellbar, dass derselbe CEO einen 13 Jahre älteren Mann, dem er gerade einen Job angeboten hatte, angeschrien hätte.

Selbstvertrauen, Ehrgeiz und Führungspotenzial – Merkmale, die bei Männern als positive Eigenschaften gelten – werden bei Frauen oft als Arroganz, Aufdringlichkeit und Rechthaberei ausgelegt. Sie werden nicht selten als Beweis dafür verwendet, dass eine Frau «schwierig» oder «nicht teamfähig» ist.

Wie können Schweizer Männer die Gleichstellung der Geschlechter fördern? 10 Tipps.
Selbstvertrauen wird bei Frauen oft als Arroganz, Aufdringlichkeit und Rechthaberei ausgelegt. (Illustration: Pixabay)

Eine schwierige Persönlichkeit bei einem Mann kann verziehen werden – als Preis für seinen Ehrgeiz oder seine Brillanz. Sie kann sogar als «schrullig» entschuldigt werden oder weil «er ein Charakter ist» oder «zu begabt, um sich um gewöhnliche soziale Normen zu scheren».

Ich selbst habe alle möglichen Arten von unzivilisiertem Verhalten bei männlichen Kollegen entschuldigt, mit der (fehlgeleiteten) Theorie, sie seien brillant und verdienten daher einen Freifahrschein.

Ein Mann kann unbeliebt sein, aber trotzdem respektiert werden.

Im Gegensatz dazu zahlt eine Frau, die für sich selbst, ihr Team oder ihre Ideen einsteht, eine hohe Strafe in Form von Unbeliebtheit, egal wie brillant sie ist – und diese Unbeliebtheit wird sie Respekt kosten.

Da Frauen in der Schweiz von Kindheit an darauf konditioniert werden, vor allem zuvorkommend, bescheiden und «unkompliziert» zu sein, finden sie sich oft in einer Art Zwickmühle wieder. Egal was sie tun, es ist falsch. Entweder sie werden als kompetent und unsympathisch angesehen, oder als sympathisch, aber weniger kompetent. Das nennt man «Wärme-Kompetenz»-Zwickmühle.

Wenn ihr, liebe Männer, also einen Karriere-Ratschlag für eine weibliche Kollegin habt, die unter Sexismus leidet, teilt ihn ihr auf jeden Fall mit – aber erst, nachdem ihr euch über die Fakten informiert und die vorherrschende Geschlechterdynamik verstanden habt.

#2 Informiert euch über Sexismus

Was ist mit Antwort Nummer 2 weiter oben? Viele Männer, mit denen ich hier in der Schweiz spreche, scheinen wirklich überrascht, wenn ich Sexismus erwähne.

Wir können nicht alle über alles gut informiert sein, und jeder von uns hat blinde Flecken. Aber ich bin oft verblüfft, wenn ich einen klugen, gebildeten und bedachten Mann treffe, der sich der Ungleichheit der Geschlechter in der Schweiz nicht bewusst ist.

Viele Männer können es sich leisten, nicht über geschlechtsspezifische Diskriminierung nachzudenken, weil sie davon nicht direkt betroffen sind.

Es ist wie bei jedem Nichtbehinderten, der nicht merkt, dass eine Stadt mit dem Rollstuhl nicht befahrbar ist, bis er sich selbst ein Bein bricht. Das Problem ist, dass fünfzig Prozent der Bevölkerung den Sexismus nicht einfach «vergessen» können.

Wir werden daran erinnert, wenn wir bei unseren eigenen Vorträgen als die Ehefrauen unserer Männer vorgestellt werden, obwohl diese in einem anderen Bereich an einer anderen Institution tätig sind. Wir werden daran erinnert, wenn unsere männlichen Kollegen, die zehn Jahre jünger sind als wir, uns in unserem eigenen Fachgebiet mit «Mansplaining» begegnen.

Wir werden daran erinnert, wenn wir einen Vortrag halten und unsere männlichen Kollegen sich ungefragt einklinken, um die an uns gerichteten Fragen zu beantworten. Wir werden daran erinnert, wenn uns mehr Verantwortung angeboten wird (was gut ist!), aber nicht die grundsätzliche Erhöhung der administrativen Unterstützung, des Gehalts oder die Änderung des Titels – Dinge, die ganz selbstverständlich erfolgen, wenn einem männlichen Kollegen diese Verantwortung angeboten wird.

Wir werden daran erinnert, wenn unsere Kollegen uns ignorieren, unsere Ideen abtun, ihre Versprechen nicht einhalten und so tun, als hätten unsere Erfolge nie stattgefunden – selbst wenn es sich um Erfolge handelt, die Geschäfte oder Finanzmittel einbringen, welche notwendig sind, um den ganzen Laden am Laufen zu halten.

Wir werden daran erinnert, wenn wir dafür kritisiert werden, dass wir zu hart arbeiten, zu angestrengt, zu ehrgeizig oder zu aufdringlich sind, oder dafür, dass wir bei der Arbeit nicht genug soziale Kontakte pflegen. Wir werden daran erinnert, wenn Kollegen, die wir bei einem Apéro treffen, sich höflich nach der Arbeit unseres Ehepartners erkundigen (den sie noch nie getroffen haben), aber nicht nach unserer eigenen.

Wir werden daran erinnert, wenn unsere männlichen Arbeitskollegen freundlich nach unseren Kindern fragen, aber ängstlich in ihren Sitzen hin- und herrutschen, wenn wir eine Idee vorbringen, die helfen könnte, die Leistung des Teams zu verbessern. Wir werden daran erinnert, wenn man uns rät, unseren Familienstand in unseren Lebenslauf einzutragen. Wir werden daran erinnert, wenn wir als distanziert oder unnahbar gelten, weil wir nicht mit dem Chef flirten.

Wir werden daran erinnert, wenn wir die Gleichstellung der Geschlechter erwähnen und unsere männlichen Kollegen uns zu verstehen geben, dass das wahre Problem vielleicht unsere Arroganz sei. Wir werden daran erinnert, wenn ein männlicher Vorgesetzter in einem Land, in dem Pünktlichkeit einen hohen Stellenwert hat, eine Stunde zu spät zu einem Meeting erscheint. Wir werden daran erinnert, wenn wir uns bei einer Arbeitsveranstaltung oder einer Konferenz dabei ertappen, wie wir für eine Sekunde nach unten schauen, nur um sicherzugehen, dass wir nicht unsichtbar geworden sind.

Früher dachte ich, dass mir seltsame Dinge passieren, weil ich eine Ausländerin bin, die den Code für das Dazugehören in der Schweiz einfach noch nicht entschlüsselt hat. Dann begann ich, mit Schweizer Frauen zu sprechen. Sie berichteten mir von unheimlich ähnlichen Erfahrungen, einschliesslich des Gefühls «Bin ich eigentlich unsichtbar?».

Schweizerinnen mit gleicher Ausbildung und gleichem Ehrgeiz, aber fünfzehn Jahre jünger als ich, berichten, dass sie in Vorstellungsgesprächen gefragt werden, warum die Firma es riskieren sollte, sie einzustellen, wenn sie doch wahrscheinlich sowieso «nur heiraten und Kinder bekommen» würden.

Meine amerikanische Herkunft ist in der Tat ein Problem, insofern ich noch nicht herausgefunden habe, wie ich weniger Platz im Raum einnehmen kann, damit die Leute mich nicht so bedrohlich finden. Frauen, die hier aufgewachsen sind, navigieren viel geschickter durch diese Minenfelder als ich.

Aber ich kann aus der Beobachtung vieler sehr erfolgreicher amerikanischer Männer hier in der Schweiz, die sich weit weniger an Schweizerische Gepflogenheiten angepasst haben als ich, bestätigen, dass das Kernproblem nicht meine Fremdheit ist. Die amerikanische Herkunft kann man einem Mann verzeihen, so scheint es. Das Problem ist, dass ich eine Frau bin.

Glücklicherweise können blinde Flecken behoben werden.

Zwanzig Minuten pro Woche geschlechterbezogene Nachrichtenartikel, Interviews oder Studien zu lesen, macht einen grossen Unterschied (ich schlage vor, mit diesem brillianten Artikel der «New York Times» zu starten: «This Is How Everyday Sexism Could Stop You From Getting That Promotion«).

Ebenso hilfreich ist es, Arbeitskolleginnen, Freundinnen und weibliche Verwandte nach ihren Erfahrungen zu fragen. Ein männlicher Vorgesetzter könnte sogar sagen: «Die Gleichstellung der Geschlechter ist mir wichtig. Gibt es irgendetwas, was ich tun kann, um mich in diesem Bereich zu verbessern oder unsere Bürokultur in die richtige Richtung zu lenken?»

Frauen sprechen selten offen über erlittene Diskriminierung, es sei denn, sie werden direkt gefragt. Niemand möchte für Aufruhr sorgen. Die sozialen Kosten für Frauen, die über Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz sprechen, können enorm sein. Wenn ihr, liebe Männer, dieses Thema jedoch affirmativ bei Frauen ansprecht, die ihr gut kennt, teilen diese vielleicht Erfahrungen oder Tipps, von denen ihr vorher nichts wusstet.

#3 Widersteht der Versuchung, Frauen untereinander zu vergleichen

Das Prinzip «Zuhören und Einfühlungsvermögen zeigen» (#1) berücksichtigend, ist es wichtig, die Erfahrung einer Frau nicht zu diskreditieren, indem man sich auf die angebliche Erfahrung einer ganz anderen Frau beruft. Wenn eine Frau mit Kindern nach mehr Karrieremöglichkeiten fragt, sagt ihr nicht, dass eure eigene Frau einen Job mit weniger Verantwortung bevorzugt, weil ihr die Betreuung der Kinder wichtig ist. Die Meinungen von Menschen in anderen Situationen sind oft nicht besonders relevant. Was zählt, ist das, was die Frau vor Euch berichtet.

Frauen in der Schweiz haben je nach Erziehung, Persönlichkeit, Lebensumständen und Zielen unterschiedliche Strategien entwickelt, um mit der Geschlechterdiskriminierung fertigzuwerden. Die Tatsache, dass es in der Schweiz einige extrem erfolgreiche Frauen gibt, oder die Tatsache, dass einige Frauen wirklich nicht daran interessiert sind, eine grosse Karriere zu machen, bedeutet nicht, dass die Gleichstellung der Geschlechter kein ernstes Problem darstellt.

#4 Gewöhnt euch an, die Rollen gedanklich umzudrehen, um unbeabsichtigte Voreingenommenheit aufzudecken

Wenn sich ein Mann um einen Job bewirbt, würde man nicht im Traum daran denken, ihn zu fragen: «Wie wollen Sie Ihre beruflichen und familiären Pflichten unter einen Hut bringen, in Anbetracht dessen, dass kleine Kinder oft krank werden und die Schule versäumen?» oder «Woher wissen wir, dass Sie uns nicht verlassen, wenn Ihre Frau schwanger wird?»

Im Gegensatz zu Frauen werden Männer oft besser bezahlt und am Arbeitsplatz ernster genommen, wenn sie Kinder haben. Schliesslich haben sie eine Familie zu versorgen!

Wie können Schweizer Männer die Gleichstellung der Geschlechter fördern? 10 Tipps.
Ein bisschen zu nah an der Sonne geflogen? (Illustration: Pixabay)

Ähnlich verhält es sich, wenn ein Mann um eine Gehaltserhöhung für seine hervorragenden Leistungen bittet. Dann würde man ihm auch nicht sagen: «Nun, die Männer, die zwanzig Jahre jünger sind als Sie, scheinen zufrieden zu sein, und nebenbei bemerkt, Sie sind ein ziemlicher Aufdringling, nicht wahr?»

Im Gegensatz zu Frauen werden Männer, die hervorragende Leistungen erbringen, oft geschätzt und angemessen belohnt, durch Verantwortung, Status und Bezahlung. Wenn eine Frau hart arbeitet, um die Erwartungen zu übertreffen, wird das oft als unschicklich oder leicht peinlich angesehen. Sie fliegt ein bisschen zu nah an der Sonne, wird dann gesagt.

Zu lernen, diese Dynamik im täglichen Leben zu erkennen, ist wesentlich, um rechtzeitig eingreifen zu können. Ein Freund meldete sich zu Wort, als er bemerkte, dass in einer Gruppendiskussion unter männlichen Kollegen, in der es darum ging, ob man einem männlichen Kandidaten oder einer weiblichen Kandidatin ein Jobangebot machen sollte, seine Kollegen die weibliche Kandidatin für vermeintliche Schwächen kritisierten, die sie beim männlichen Kandidaten unter den Tisch fallen liessen.

Es ging nicht darum, dass ihre Kritik an der weiblichen Kandidatin nicht zutreffend war, sondern darum, dass seine Kollegen dem männlichen Kandidaten nicht mit demselben kritischen Blick begegnet waren. Als mein Freund auf diese Beobachtung hinwies, räumten sie die Diskrepanz schnell ein, entschuldigten sich und setzten die Diskussionen auf eine bewusstere und ausgewogenere Weise fort.

Ein Freund eines Kollegen schlug seinem Arbeitgeber vor, dass Home Office eine Option für Mitarbeitende beider Geschlechter mit kleinen Kindern bleiben sollte. Der Chef reagierte sehr positiv. Ein anderer Kollege holt sich aktiv den Input von weiblichen Kolleginnen, wenn Männer das Gespräch dominieren.

Meiner Erfahrung nach wollen sich die meisten Menschen nicht diskriminierend verhalten, sondern tun dies, wenn sie gehetzt, müde, abgelenkt oder überarbeitet sind. In Anbetracht der Tatsache, dass wir alle oft durch unsere To-do-Listen und konkurrierende Anforderungen an unsere Zeit abgelenkt sind, ist es für mich absolut nachvollziehbar, dass wohlmeinende männliche Kollegen ein Verhalten übersehen können, das mir eindeutig diskriminierend erscheint.

Viele Menschen in dieser Situation werden jedoch dankbar reagieren, wenn sie auf das unbeabsichtigte Verhalten in einer respektvollen – und nicht in einer verurteilenden – Weise aufmerksam gemacht werden.

#5 Erkennt, dass Veränderung zu Hause beginnt

Es gibt viele Schritte, die Männer, denen die Gleichberechtigung der Geschlechter am Herzen liegt, unternehmen können, um sie innerhalb ihrer Familien zu fördern. Ganz oben auf der Liste steht die Unterstützung der Karriere der Partnerin, die Reduzierung der eigenen Arbeitszeit, die Bitte an den Arbeitgeber um Elternzeit, die Übernahme der Hälfte der Kinderbetreuung und der Hausarbeit, die Demonstration der Mitverantwortung für die Kinderbetreuung und die häusliche Mental Load oder (schnauf!) sogar die Überlegung, für ihre Arbeit umzuziehen.

Viele Unternehmen stellen keine Frauen für Führungspositionen ein, weil sie davon ausgehen, dass der Ehepartner einer Frau niemals seine Karriere aufgeben würde, um mit ihr ins Ausland zu ziehen. Diese Annahme ist so grundlegend, so selbstverständlich, dass sie unbestritten ist.

Jüngere Kolleginnen in höheren Positionen berichten, dass sie regelmässig gefragt werden, ob sie nach der Geburt eines Kindes überhaupt (jemals!) wieder arbeiten wollen. Wohlmeinende Bekannte gehen davon aus, dass ich nicht arbeite, da ich drei Kinder habe.

In einer Welt, in der die eigene Marke oft genauso wichtig ist wie die eigene Leistung, ist Mutterschaft eine schwache Marke.

Selbst wenn eine Mutter viel härter arbeitet als ihre männlichen Kollegen, läuft sie immer Gefahr, als nicht voll engagiert angesehen zu werden. Männer können dazu beitragen, dieses Stigma zu schwächen, indem sie die Marke «Elternschaft» selbst offen annehmen. Wenn unsere männlichen Kollegen beim Verlassen der Arbeit verkünden würden: «Die Kita schliesst um 18 Uhr!», wie mir eine Kollegin vorschlug, würde das alleine schon einen grossen Unterschied machen.

#6 Nutzt eure Macht, um eure Meinung zu sagen

Selbst eine kleine Geste der Unterstützung kann sich wie ein grosser Segen anfühlen. Ein Kollege von mir schritt einmal schnell ein, als ein anderer Kollege sich seltsam verhielt. Er nutzte seine Macht, um das problematische Verhalten im Keim zu ersticken, bevor es eskalieren konnte. Ein jüngerer Kollege unterstützte mich in einem angespannten Gespräch, in dem sich ein älterer Kollege defensiv und herablassend verhielt.

Ein dritter Kollege rief mich an, um mich um Rat in Sachen Gleichberechtigung zu bitten, weil er wusste, dass dies ein Thema an seinem Arbeitsplatz war, und er die Perspektive und den Rat einer Frau wollte, der diese Themen wichtig sind. Diese Gesten waren im Grossen und Ganzen klein, aber für mich selbst jetzt noch, Monate später, enorm.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum es für Männer so wichtig ist, sich zu Wort zu melden:

Leider zählt die Stimme eines Mannes in Gesprächen über die Gleichstellung oft mehr als die Stimme einer Frau.

Männer werden oft als neutral oder unvoreingenommen angesehen, Frauen nicht – ein Erbe der Weltanschauung, dass Männer der «Standard» oder die «Norm» sind und Frauen die Abweichung oder Ausnahme. Diejenigen, die den Status quo verteidigen, haben immer einen Heimvorteil.

Wie können Schweizer Männer die Gleichstellung der Geschlechter fördern? 10 Tipps.
Sprecht darüber – und tut es laut! (Illustration: Pixabay)

Ein Kommentar eines Mannes sendet jedoch eine Botschaft an seine Kollegen über akzeptable Geschlechternormen. Wir sind alle soziale Wesen; es interessiert uns, was die Menschen um uns herum denken, und wir passen unsere eigenen Überzeugungen oft an die Norm in unserer Peergroup an.

Männer hören auf Männer. Aus diesem Grund hilft es wirklich, wenn ihr, liebe Männer, eure Meinung sagt.

Ein sanftes Anstupsen («Mir ist gerade aufgefallen, dass alle, die wir eingeladen haben, unserem Gremium beizutreten, männlich sind. Vielleicht können wir nach einer gut qualifizierten weiblichen Kandidatin suchen?») reicht oft schon aus.

#7 Seid proaktiv in Bezug auf Arbeitsmöglichkeiten, Beförderungen und Lohngleichheit

Der Status quo wird oft durch Trägheit aufrecht erhalten. Um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, müssen wir alle gegen den Strom schwimmen.

Sprecht ihr auf einem Podium? Wenn ja, prüft, ob Frauen unter den Rednerinnen und Rednern gut vertreten sind, und wenn nicht, sprecht mit den Organisatoren. Geht ihr zu einem Kundentreffen? Wenn ja, bringt auf jeden Fall weibliche Kolleginnen mit und denkt daran, ihnen die Möglichkeit zu geben, aktiv an der Besprechung teilzunehmen. Seid Ihr Mentor eines jungen Menschen, der euch an eine jüngere Version von euch selbst erinnert? Das ist grossartig. Aber achtet darauf, dass einige der Personen, die ihr als Mentor betreut, Frauen sind.

Sorgt ihr dafür, dass eure Kolleginnen ihren Namen auf ihr eigenes Arbeitsprodukt schreiben? Wenn eure Kolleginnen angesichts des Drucks auf Frauen, sich nicht selbst zu promoten, zögern, ihre Leistungen zu teilen, nehmt ihr euch dann ein paar Minuten Zeit, um ihnen zu ihrer harten Arbeit und ihrem Erfolg zu gratulieren und die guten Nachrichten mit dem Team zu teilen? Wenn ihr mehr Arbeitsaufträge angeboten bekommt, als ihr annehmen könnt, empfehlt ihr dann eine qualifizierte Kollegin für den Job? Ich habe derzeit mehrere Kollegen, die dies tun, und ich bin sehr dankbar für ihre Bemühungen.

Habt ihr schon einmal weibliche Kolleginnen gefragt, ob sie über Lohnunterschiede besorgt sind? Vielleicht könnt ihr sie wissen lassen, wie viel ihr verdient, einfach damit sie prüfen können, ob ihre Gehälter im richtigen Bereich liegen. Falls ihr selbst für Gehaltsentscheidungen zuständig seid: Führt ihr regelmässig ein Benchmarking durch, um sicherzustellen, dass ihr eure weiblichen Mitarbeiterinnen fair bezahlt?

In diesem Bereich proaktiv zu sein, ist nicht schwer, aber es braucht ein wenig Übung, genauso wie es ein wenig Übung braucht, um zu lernen, gegen den Strom zu schwimmen. Aber wenn ihr einen Zettel neben eurem Schreibtisch aufbewahrt, der euch daran erinnert, jeden Tag etwas für die Gleichstellung der Geschlechter zu tun, wird es bald zur Gewohnheit werden.

Ich arbeite inzwischen mit vielen Männern zusammen, die wirklich Wert auf die Gleichstellung der Geschlechter legen, und die winzigen Schritte, die sie unternehmen, damit ich mich als Teammitglied wertgeschätzt und respektiert fühle, machen einen so grossen Unterschied für meine Leistung.

#8 Erwägt, einem Verein beizutreten

Organisationen zur gegenseitigen Unterstützung können wirklich helfen, die Normen in diesem Bereich zu verändern. Zwei Frauen und ich haben eine Facebook-Gruppe mit etwa 1’500 Mitgliedern gegründet, die sich «Komplizierte Frauen» nennt. Wir freuen uns, dass wir in unseren Reihen einige Schweizer Männer haben, die uns unterstützen und hilfreiche Verbündete sind. Es ist toll, ihre Ideen und ihre Solidarität zu haben.

Es gibt noch viele andere solcher Vereine und Organisationen. Vor allem WE/MEN leistet hervorragende Arbeit. Wenn ihr euch mit anderen an dieser Arbeit beteiligt, lernt ihr neue Tipps und Strategien kennen und beginnt, alte Themen auf eine neue Art zu sehen.

#9 Wenn ihr glaubt, dass ihr zu beschäftigt seid, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, denkt daran: Die Gleichstellung der Geschlechter schafft mittel- und langfristig einen Mehrwert

In der modernen Welt wetteifern mehr Themen um den Status «oberste Priorität», als wir bewältigen können. An manchen Tagen seid ihr vielleicht zu müde oder zu überanstrengt, um viel über die Gleichstellung der Geschlechter nachzudenken. Das bin ich auch.

Aber die Entwicklung einer täglichen Gewohnheit, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, wird sich auf lange Sicht absolut auszahlen. Sicherlich kann es hin und wieder kurzfristig zu Konflikten im Zusammenhang mit der Gleichstellung der Geschlechter kommen, die wie Nullsummenspiele erscheinen («Wir stellen entweder den gut qualifizierten Mann oder die gut qualifizierte Frau ein, aber nicht beide.»).

Mittel- und langfristig ist die Förderung der Geschlechtergleichstellung jedoch eine der seltenen echten Win-Win-Situationen.

Eine weibliche Kollegin, die sich respektiert und wertgeschätzt fühlt, wird keine Zeit und Energie damit verschwenden, sich selbst zu zensieren, ihr Talent zu minimieren oder sich selbst zurückzuhalten; vielmehr wird sie sich frei fühlen, ihre Fähigkeiten, ihre Intelligenz, ihren Antrieb und ihre Leidenschaft dem gemeinsamen Ziel zu widmen.

Kleine, konsequente Investitionen in die Gleichberechtigung der Geschlechter werden sich für das gesamte Team auszahlen in Form von erhöhter Zusammenarbeit, Produktivität und Loyalität. Kleine Investitionen werden auch dazu beitragen, die «Leaky Pipeline» zu reparieren – das Phänomen, dass gut ausgebildete Frauen aus dem Berufsleben ausscheiden, wenn sie für höhere Positionen in Frage kommen.

#10 Es ist in Ordnung, wenn ihr Fehler macht

Niemand kann jedes Problem meistern; niemand kann jede Ungerechtigkeit beseitigen. Wir alle haben blinde Flecken und Orte, an die unser Verständnis und unser Mitgefühl noch nicht hinreichen. Aber Empathie ist ein Muskel und eine Fähigkeit, wie jede andere auch, und wir können alle an unserer Muskelkraft arbeiten.

Ich kenne einige Männer in der Schweiz, die keinen Wert auf die Gleichstellung der Geschlechter legen. Ich kenne andere, die Frauen aktiv als Bedrohung sehen. Ich glaube nicht, dass man gegen sie etwas tun kann, und ich erwarte, dass ihre Weltsicht bald genug obsolet wird.

Aber ich kenne so viele andere, die die Frauen in ihrem Leben richtig behandeln wollen und einfach nicht genau wissen, wie. Manchmal machen diese Männer Fehler und sagen sexistische Dinge oder verhalten sich auf sexistische Art und Weise. Aber das ist in Ordnung, denn für mich ist klar, dass sie versuchen, das Richtige zu tun, und etwaige Fehler, die sie gemacht haben, sind nur das Produkt der Umgebung, in der sie aufgewachsen sind.

Menschen können erkennen, wenn andere Menschen sich bemühen und wenn ihre Absichten gut sind. Wenn ihr versucht, an diesem Muskel zu arbeiten, werdet ihr Dankbarkeit und Anerkennung ernten.

Die Frauen in eurem Leben werden es euch in Form von Loyalität und ausgezeichneter Arbeit um ein Vielfaches zurückzahlen.

Danke also an alle Männer, junge und alte, die sich bewusst für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen. Danke an meine vielen männlichen Kollegen, die mir das Gefühl geben, dass ich existiere, dass ich Wert schaffe, dass ich ein vollwertiges Mitglied des Teams bin. Ihr stuft eure Handlungen wahrscheinlich einfach als «Grundanstand» oder «Grundfairness» ein. Das sind sie.

Aber sie machen einen grossen Unterschied.

Autorin

Alexandra Dufresne ist eine in den USA ausgebildete Rechtsanwältin für Kinder und Flüchtlinge. Sie lehrt Rechtswissenschaften an mehreren Schweizer Hochschulen und arbeitet mit Menschenrechts-NGOs in der Schweiz, Europa, Afrika und den USA zusammen. Sie hat drei Kinder und ist eine der Mitgründerinnen von Komplizierte Frauen, einer Gruppe von Menschen aller Geschlechter, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter in der Schweiz einsetzen.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 4. November 2021 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.

Dieser Text wurde von Alexandra Dufresne auf Englisch verfasst. Übersetzung von Sandra Trupo


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