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Mir streikt‘s! Ich will kein Mann sein müssen, um eine erfolgreiche Frau sein zu dürfen!

Von den Lehrern nicht ernst genommen. Als Teenagerin ungewollt geküsst. Vom Chef betatscht. Als Mutter diskriminiert. Sexismus und Ungleichbehandlung ziehen sich durch Marahs Leben wie ein roter Faden. Aber jetzt reicht’s! Darum streikt Marah am 14. Juni.

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Warum es den Frauenstreik braucht von mal ehrlich

Am 14. Juni ist Frauenstreiktag. Hätte man mich vor 15 Jahren gefragt, ob es so einen Tag brauche, hätte ich wohl den Kopf geschüttelt.

Ich wuchs mit der Überzeugung auf, als Mädchen genauso viel Wert zu sein und genauso viele Rechte und Pflichten zu haben wie ein Junge. Keinen Moment in meiner Kindheit dachte ich, ich hätte jemals nicht die gleichen Chancen im Beruf wie ein Mann oder dass ich als Mutter einmal anders behandelt würde wie ein Vater. Für mich war klar, dass ich einst Kinder haben werde und arbeite. Ich wusste, ich habe Talente und wollte diese verwirklichen.

«Widme dich deiner familiären Karriere, das macht am meisten Sinn»

Ich machte mir auch nicht lange Gedanken, als mein damaliger Oberstufenlehrer im Jahresgespräch sagte, das Gymnasium sei nichts für mich. Er war überzeugt, ich wäre mit einer pflegerischen Ausbildung besser bedient, denn die würde mir später im Familienleben helfen, meine Kinder zu umsorgen. Er gab mir auf den Weg: «Widme dich deiner familiären Karriere, das macht am meisten Sinn.» Kein Junge in meiner Klasse berichtete von ähnlichen Erfahrungen.

Warum es den Frauenstreik braucht - mir streikts!
«Ich dachte, die Männer seien halt so.» Die Autorin mit 14.

Als mich mit sechzehn ein junger Mann im Pub an die Wand drückte und mich gegen meinen Willen küsste, wehrte ich mich nicht – ich dachte, das sei sowas wie ein Kompliment. Erst viel später erkannte ich die Diskriminierung, als mein Mathematik-Lehrer posaunte, er kenne kein Mädchen, das Zahlen beherrsche. Als mein Freund mich jedes Mal sarkastisch fragte, ob ich meine Tage habe, wenn ich ihm widersprach, schickte ich ihn in die Wüste. Dass diese Entscheidung mit Feminismus zu tun hat, war mir damals jedoch noch nicht klar.

Und auch als mein einstiger Chef mir  – nach meiner Beförderung – bei jeder Gelegenheit über den Rücken streichelte und säuselte, er «entwickle eben gerne schöne Frauen», dachte ich, die Chefs, die Männer, die seien halt so.

Ich dachte, die Welt, die funktioniere halt so.

Und dann kamen die Kinder

Und dann fielen mir die Schuppen von den Augen. Als hätte ich nicht nur ein Kind geboren, sondern gleich noch ein neues Leben bekommen und damit endgültig die Sexismus-Karte gezogen.

2004 kam mein Sohn zur Welt. Damals gab es keinen Mutterschaftsurlaub, das Beschäftigungsverbot der Mütter betrug jedoch 8 Wochen. Hätte ich keinen Ehemann gehabt, wäre mir nur die Sozialhilfe geblieben. Nicht nur, weil es keinen einzigen Kita-Platz in unserem Dorf gab, sondern auch, weil ich länger als diese 8 Wochen bei meinem Säugling bleiben wollte, hängte ich meinen Kader-Job an den Nagel.

Im ersten Jahr als Mutter lernte ich nicht nur mein Kind neu kennen, sondern auch die hohen und einengenden Ansprüche der Gesellschaft an die Mütter:

Mütter gehören in erster Linie zum Kinde (im Gegensatz zu den Vätern, da kümmert’s keinen). Sie sollten ja nicht rauchen (im Gegensatz zu den Vätern, da kümmert’s keinen), nicht zu dick werden (im Gegensatz zu den Vätern, da kümmert’s keinen).

Mütter sollten spontan gebären (wehe dem gewollten Kaiserschnitt) und das möglichst ohne Schmerzmittel, danach stillen, nicht zu kurz und nicht zu lange und nicht in der Öffentlichkeit. Sie sollten und sollten und sollten.

Kurz: Mütter sind öffentlich, über Mütter wird bestimmt, Mütter werden diskriminiert.

Und das nicht nur von den Männern.

Warum wollen Sie so viel arbeiten mit Kindern?

Ich suchte mir Freundinnen und Freunde, die keine Mütterkriege führten und mied Spielplätze. Ich suchte mir Vorgesetzte, die mich nicht auf mein Muttersein reduzierten und baute meine Karriere wieder auf. Zuerst arbeitete ich in kleinem Pensum, dann erhöhte ich Schritt für Schritt, damit stieg die Verantwortung und der Lohn.

Doch auch nach der Geburt meines zweiten Kindes – zehn Jahre später (!) – sah es nicht viel besser aus. Ich erhielt zwar 16 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub (der gesetzliche dauert 14 Wochen), der mir aber kräftemässig immer noch viel zu kurz war. Ich vereinbarte also eine Pause von acht Monaten. Es stellte sich jedoch erneut heraus: Auch so war der Start für mich noch zu früh, mitten in der Hormonumstellung und dem ersten Kita-Viren-Winter war ich bereits nach wenigen Monaten dem Burnout nahe (ein Jahr Elternzeit – warum nur wollen wir undankbaren Frauen immer mehr?!). Es folgte ein weiterer Unterbruch.

Der Wiedereinstieg harzte erneut – die gleichen Fragen im Vorstellungsgespräch: Warum wollen Sie so viel arbeiten mit Kindern? Wie lösen Sie die Betreuung im Krankheitsfall? Was ist mit einem dritten Kind?

Mein Mann hörte das alles kein einziges Mal.

«Ihr Frauen müsst halt mehr so sein wie die Männer.»

Was für ein riesengrosses Missverständnis!

Ihr Frauen müsst halt mehr so sein, wie die Männer, dann klappt das schon, höre ich immer wieder. Wir sollten uns eine Scheibe von deren Netzwerk-Fähigkeiten abschneiden, dominanter sein, Vollzeit arbeiten. Was für ein riesengrosses Missverständnis! Ich will kein Mann sein müssen, um eine erfolgreiche Frau sein zu dürfen.

Es geht auch anders. Fairer. Gemeinsamer.

Mittlerweile weiss ich: Es gibt Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die nicht diskriminieren und die Frauen fördern. Ich habe immer wieder meine Oasen gefunden. Es gibt Spielplätze, wo Mütter nicht die ganze Zeit bewertet werden. Es ist möglich, in der Schweiz als Mutter, als Frau, zu erreichen, was ein Mann erreicht, auch ohne sich als solcher zu verkleiden.

Doch der Weg dorthin müsste doch nicht so verdammt anstrengend sein! Frauen sollten es nicht schwerer haben als die Männer!

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Jammern nützt nichts

Fragt man mich heute, ob es einen Frauenstreiktag brauche, schüttle ich deshalb nicht mehr den Kopf. Jammern nützt nichts, die Opferhaltung auch nicht – zu ignorieren, gar zu rechtfertigen, wie Frauen und Müttern immer wieder Steine in den Weg gelegt werden, jedoch auch nicht.

Ich streike deshalb am 14. Juni für mehr Fairness. Für Lohngleichheit von Mann und Frau, für eine angemessene Elternzeit, für mehr Teilzeitstellen, für eine faire Altersvorsorge von Hausfrauen und Care-Arbeiterinnen. Für meine Mutter, die drei Kinder aufgezogen hat und keine gesellschaftliche Anerkennung dafür erhält. Ich streike für meine Tochter und für meinen Sohn, die mehr Gleichbehandlung erfahren sollen, in jeglicher Hinsicht.

Denn mir reicht’s.

Ebenfalls von Marah bei Any Working Mom:

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Marah Rikli, Autorin - mal ehrlich

Autorin

Marah Rikli ist Journalistin und Aktivistin und Mutter zweier Kinder. Sie schreibt Artikel für diverse Publikationen, u.a. «Magazin», «Republik», «Sonntags­Zeitung», «Wir Eltern», «Tages-Anzeiger». Zudem ist sie Host des Podcasts «Sara und Marah im Gespräch mit» der Frauenzentrale Zürich. Ihre Schwerpunkte: Inklusion, Mental Health, LGBTQIA+, Feminismus, Erziehung. Sie ist für diese Themen auch als Referentin oder Moderatorin von Talks und Panels unterwegs. www.marahrikli.ch (Bild: Anja Fonseka)

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 13. Juni 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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3 Antworten

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  1. Avatar von Céline
    Céline

    toller Artikel. Deshalb ging auch ich streiken.

  2. Avatar von Martina
    Martina

    Liebe Marah

    was für eine tolle Geschichte! Grossartig. Oder nein: Total besch… eigentlich. Diese typische Geschichte, in die wir Frauen gedrängt werden. Aber grossartig, wie Du das beschreibst, was so viele erlebt haben und erleben. Dieser Widerspruch zwischen dem, was uns erzählt wird (gleiche Rechte, gleiche Chancen) und dem, was wir im Alltag erleben: Schikanen, Entmutigungen, Übergriffe und Vorwürfe.

    Deshalb gehe ich auch streiken! Denn du bringst es auf den Punkt: Wir brauchen Anerkennung als Frauen*! Wenn wir dafür nicht kämpfen, dann werden wir weiter in unser “Frauenschicksal” gedrängt. Wir wollen aber kein vorbestimmtes Frauenschicksal, wir wollen faire Chancen!

    Also dann: bis morgen!

    1. Avatar von Sarah
      Sarah

      Super Artikel! Krass, dass wir heute noch in diese Schemas gedrängt werden. Für mich war das Diskriminierungslevel vor und nach der geburt meines Sohnes am höchsten (mobbing vor geburt und nach Mutterschutz wurden sogar meine kumulierten ferien nich akzeptiert. 3 monate nach geburt ging ich arbeiten und paar tage danach auf dienstreise ins ausland). Etwa 6 Monate danach, als der Arbeitsgeber sah, dass ich mich nicht verändert habe (ich glaube die meinten job wuerde nun 2. Prio und ich wuerde mehr fernbleiben. Eben was von Muetter erwartet wird…) wurde ich wieder als voll genommen. Das schlimmste war durch, aber es hat mir gezeigt wie ‘moderne arbeitsgeber’ schnell in veraltete schemas denken und verfallen.
      Das ganze klappt aber auch nur weil ich Hauptverdienerin bin und mein Mann seinen Teil, sprich sogar mehr als die Hälfte zuhause macht. Ansonsten waere ich vielleicht schnell in das von der Gesellschaft erwartete Schema gedrängt worden. Frauen muessen staerker durchhalten und sich beweisen als maenner. Deshalb demonstrieren und lean in!!!