Kolumne
Markus Tschannen wechselt wieder Windeln: «Was wird es denn?» – «Aufwendig!»
Alle sagen: «Das dritte Kind läuft dann einfach so nebenher.» Meine Frau und ich sind uns da nicht so sicher. Bis jetzt läuft hier vor allem der Mental Load – und trainiert für einen Marathon.

Zugegeben, meine Frau wird öfter zu ihrer Schwangerschaft interviewt als ich. «Geht’s noch lange? Wie kommst du mit der Hitze zurecht? Sicher, dass das nicht Zwillinge sind? Höhöhö.»
Aber auch ich bekomme die eine oder andere Frage ab: «Wisst ihr, was es wird?» – «Joa, wenn es nach seinen Geschwistern kommt, vermutlich ein streitsüchtiger, brösmelnder Goblin, den man trotzdem liebhaben muss.»
«Verratet ihr, was es wird?» – «Nein.»
Eine häufige und an sich recht interessante Frage, die ich bei der Arbeit oft erhalte, ist: «Wie macht ihr das dann?»
Diese Fragen sind völlig in Ordnung. Als grauenhafter Smalltalker käme mir auch nichts Besseres in den Sinn. Im Gegenteil: Ich wähle in ähnlichen Situationen oft die Variante «beklemmendes Schweigen». Das ist für alle Beteiligten noch eine Stufe unangenehmer als das vorsichtige Sondieren, ob der Fötus denn einen Penis oder eine Vulva habe.
Eine häufige und an sich recht interessante Frage, die ich bei der Arbeit oft erhalte, ist: «Wie macht ihr das dann?» Meine Antwort: «Das wüsste ich auch gern.»
Homeoffice mit Kindern – Sünde oder Segen?
Die Frage zielt auf die Betreuungssituation ab und da schwingt gleich eine Reihe von Detailfragen mit: Anstellungsprozente der Eltern? Kita? Wenn ja, wie viele Tage? Bis hin zur Diskussion: Kann man im Homeoffice nebenbei Kinder betreuen? Eine umstrittene Frage. Meine Meinung:
Ja, wenn …
- die Kinder sich ausreichend selbst beschäftigen können,
- die Arbeit sporadische Unterbrüche erlaubt und
- man diese Pausen sauber von der Arbeitszeit abzieht.
Schreibt eure Meinung dazu gerne in die Kommentare. Aber denkt daran: Ein kategorisches Nein ist schon ein bitzli familienfeindlich. (Jaja, ich giesse gerne Benzin ins Feuer einer ohnehin schon lodernden Debatte.)
Wir haben uns die Betreuungssituation tatsächlich noch nicht so genau überlegt. Irgendwie wird’s schon gehen. Irgendwie ging’s immer.
Aber so weit sind wir noch gar nicht. Vorerst schwimmt Tertius die letzten Tage zufrieden in seinem Pipiwasser, wir haben eine Geburt zu absolvieren und ich kann erstmals in meinem Leben zwei Wochen Vaterschaftsurlaub einziehen. Yay! Fünfmal mehr als bei den bisherigen beiden Kindern zusammen.
Was danach kommt, da schauen wir mal. Und das meine ich nicht lässig-witzig. Wir haben uns die Betreuungssituation tatsächlich noch nicht so genau überlegt. Irgendwie wird’s schon gehen. Irgendwie ging’s immer.
#daschamebruuche aus unserem Concept Store
Der Mental Load tötet im Schlaf – oder so ähnlich
Die Betreuung ist auch nicht meine grösste Sorge. Deutlich mehr Respekt habe ich vor dem Mental Load. Diesem geruchlosen Gas, das uns Eltern über die Jahre langsam und unbemerkt die Gesundheit wegätzt. Mit ständigen Gedanken an «Man sollte noch», «Hast du schon?» und «Bald ist schon wieder».
Arzttermine organisieren, Kindergeburtstage vorbereiten, Elternabende unterbringen, Schwimmkurse koordinieren, Hobbys managen, Schulreisen mit Cervelas anreichern, etc. Nicht die eigentlichen Tätigkeiten, sondern die ständige gedankliche Beschäftigung damit.
Stichwort Elternabende – die haben wir grad hinter uns. Dauerten nur je eine gute Stunde. Aber gedanklich haben sie uns schon im Voraus beschäftigt: Wer geht bei welchem Kind? Oh, da müssen wir noch einen Termin schieben. Wann fängt es genau an? In welchem Raum? Wo habe ich den Zettel hingetan? Schatz, hast du den Zettel? Und sag mal, wie geht’s unserem Kind eigentlich in der Schule?
Aaaaaaaarghh, bald darf das Kind bestimmt auch noch direkt im SAP der Schule erfassen, wann es wie lange die Schule geschwänzt hat.
Dann gab es am Elternabend viele Informationen, die wir uns anschliessend weitererzählen mussten. Plus Zettel und QR-Codes.
Die QR-Codes mag ich persönlich am liebsten: «Mit diesem Code könnt ihr die Zeichnungen runterladen, die euer Kind in der Schule gemalt hat. Mit diesem Code könnt ihr auf die Lernmaterialien zugreifen und die Franzwörtli findet ihr mit diesem Code. Ah und alle Kinder der Schule haben jetzt einen Microsoft Teams Account. Mit diesem QR-Code findet ihr die Anleitung zum Login.»
Aaaaaaaarghh, bald darf das Kind bestimmt auch noch direkt im SAP der Schule erfassen, wann es wie lange die Schule geschwänzt hat.
Die QR-Codes wachsen linear, der Mental Load exponentiell
An unserem Kühlschrank kleben nun ein Dutzend QR-Codes und ich hatte bisher noch nicht die geistige Kapazität, auch nur einen davon einzuscannen.
Man sagt: «Das dritte Kind, das läuft so nebenher.» Aber ich bin mir unsicher, ob das auch für den Mental Load gilt. Viele Synergien sehe ich da nicht. Es hat dann eigene Arzttermine und Kindergeburtstage, die organisiert werden wollen. Eigene Hobbys, deren Rechnungen bezahlt sein müssen, eigene Elternabende und sechs eigene QR-Codes pro Schuljahr.
Es gibt nämlich ein ganzes Aufgabenfeld, von dem Einzelkind-Eltern verschont bleiben. Das Minenfeld der Erziehung ohne Ungerechtigkeiten.
Eventuell wächst der Mental Load sogar exponentiell. Es gibt nämlich ein ganzes Aufgabenfeld, von dem Einzelkind-Eltern verschont bleiben. Das Minenfeld der Erziehung ohne Ungerechtigkeiten. Der tägliche Eiertanz, damit sich ja kein Kind benachteiligt fühlt. Ganz ehrlich, diese Aufgabe ist eine der aufwendigsten und braucht in meinem Kopf bis zu 50 Prozent Prozessorleistung – und das mit nur zwei Kindern.
Mit dem dritten Kind kommt rein mathematisch nicht ein Drittel mehr Aufwand hinzu, sondern das Vierfache. Es gilt, das Müeslischälchen von Kind 1 und Kind 2 exakt gleich aufzufüllen. Der Gemüsezwang darf bei Kind 2 nicht grösser sein als bei Kind 3. Und Kind 1 muss gleich oft im Elternbett schlafen dürfen, wie Kind 3. Und dann braucht es noch den paritätischen Blick über alle drei. Ist das Spielsachen-Arsenal eigentumsrechtlich fair gedrittelt?
Wenn ein Elternteil den Mental Load alleine tragen muss, ist das einfach nur brutal.
Vielleicht verursache ich mir auch mehr Mental Load als nötig, indem ich jetzt schon über solche Dinge nachdenke. Ich brauche glaubs dringend diese zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Aber ernsthaft: Meine Frau und ich sind uns des Mental Loads sehr bewusst. Das ist wichtig, denn nur so kann man ihn fair aufteilen, was uns glaub ich gut gelingt. Er wird davon nicht weniger, aber wenn ein Elternteil den Mental Load alleine tragen muss, ist das einfach nur brutal.
So, das war der letzte ängstliche Jammerartikel darüber, was wir uns mit dem dritten Kind aufgeladen haben. Beim nächsten Zwischenbericht halten wir das Rollschinkli endlich in den Armen und jede Sorge ist verflogen – oder durch drei neue Sorgen ersetzt.
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Veröffentlicht am 15. September 2025.
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