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Single mit Kinderwunsch: Was, wenn ich es alleine durchziehe?

Aline möchte Mutter werden, hat aber keinen Partner. Also entschliesst sie sich, alleine ein Kind zu bekommen. Ein Erfahrungsbericht über Samenspende und Selbstbestimmung.

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Aufgezeichnet von Sandra Trupo

Frau mit nachdenklichem Blick küsst Babykopf. Kein Partner, aber ein grosser Kinderwunsch? Erfahrungsbericht einer Single Mom by Choice.

Es war an einem kalten Februarabend 2022, als ich die Kiste der unerfüllten Träume ganz hinten in meinem Kopf hervorholte und öffnete. Und da war er: der tiefe Wunsch, Mutter zu werden. Stärker als je zuvor. An diesem Abend googelte ich zum ersten Mal «Samenspende Deutschland».

Viel Recherche, schlaflose Nächte und mehrere Kinderwunschbehandlungen später bin ich heute Mutter eines zehn Monate alten Sohnes. Eine Single Mother by Choice. Oder auf Deutsch: eine gewollt alleinerziehende Mutter.

Gewollt alleinerziehend?

Mein Lebensentwurf sah eigentlich ganz anders aus: Mann, Kind, Hund, Eigenheim – das volle Programm. Klassisch schweizerisch bünzlig.

Doch in meinen Zwanzigern lag mein Fokus zunächst auf der Ausbildung. Einem guten Beruf. Unabhängigkeit. Ich habe viel und hart gearbeitet und mir ein schönes Leben aufgebaut, mir sogar den Traum vom Hund erfüllt.

Nur der Prinz, der stand nie vor meiner Tür.

Auch nicht, nachdem ich alle Tipps ausprobiert hatte, die ich immer ungefragt bekommen habe. Mehr in den Ausgang gehen, Online-Dating, Speed-Dating – erfolglos.

Und während das Dating in meinen Zwanzigern noch unbeschwert war, war es in den Dreissigern plötzlich viel verkopfter. Immer, wenn ich jemanden kennenlernte, fragte ich mich unweigerlich: Hey, wäre das auch ein passender Papi?

Doch in all den Jahren traf ich niemanden, dem ich nicht ein gutes Buch vorgezogen hätte.

Natürlich lag es nicht nur an den Männern.

Es lag auch an mir. Ich hatte hohe Ansprüche, ja, eine ganze Liste. Einfach nehmen, was es hat, und hoffen, dass die Schmetterlinge schon noch kommen? Das habe ich nicht hingekriegt. Je länger, desto weniger.

Meine biologische Uhr tickte. Laut. Immer lauter.

Ich bewegte mich auf die 40 zu. Eine Zahl, die mir Angst machte. Hatte ich doch immer eine sehr klare Vorstellung, wie das Leben mit 40 sein würde. Man ist erwachsen. Steht mitten im Leben. Hat bereits einige Meilensteine erreicht.

Doch ich hatte gefühlt noch gar nichts erreicht. Ich träumte immer noch von Sachen, die es nicht mehr geben würde. Oder wenn doch, dann nicht so, wie ich es mir erträumt hatte. Die tolle Beziehung. Das erste Zusammenwohnen. Der Heiratsantrag. Die Traumhochzeit. Von diesem Mädchentraum Abschied zu nehmen, tat sehr weh.

An jenem Abend im Feburar nahm jedoch ein anderer Lebensentwurf in meinen Gedanken langsam Gestalt an. Ich fragte mich: Was, wenn ich es alleine durchziehe?

Ich hatte Jahre zuvor schon mal den Begriff Single Mom by Choice gehört.

Also googelte ich. Und was ich fand, machte mir wahnsinnig viel Mut. Die Erfahrungsberichte von amerikanischen Single Mothers by Choice und deutschen Solomamas zeigten mir, dass ich nicht alleine war mit meiner Situation.

Bevor ich eine definitive Entscheidung fällte, vertraute ich mich zwei meiner besten Freundinnen an. Sie waren gar nicht überrascht. Eine sagte sogar: «Ja klar, dachte ich schon immer, dass du das machen könntest.»

Auch meine drei Jahre jüngere Schwester holte ich früh ins Boot. Ihre Unterstützung und vor allem auch ihre Bereitschaft, sich zusammen mit ihrem Partner um mein Kind zu kümmern, sollte mir je etwas zustossen, waren mir extrem wichtig.

Doch wie sollte ich ohne Partner zu einem Kind kommen?

Mir im Ausgang bei einem One-Night-Stand ein Kind zu «holen», stand nicht zur Debatte, auch wenn mir ein solches Vorgehen Unterhaltsbeiträge gesichert und Behandlungskosten im fünfstelligen Bereich erspart hätte. Aber ich wollte keine lebenslange Verbindung zu einem Mann und seiner Familie, die ich nicht vorher gekannt habe und mit denen ich mich schlimmstenfalls ums Sorgerecht hätte streiten müssen. Nein, ich wollte es «sauber» machen.

Andere Optionen hätte ich mir auch vorstellen können: Pflegeelternschaft, Adoption. Aber als alleinstehende Berufstätige hast du keine Chance in der Schweiz.

Auch für eine künstliche Befruchtung musste ich mich an eine Kinderwunschklinik im Ausland wenden. In der Schweiz werden alleinstehende Frauen nicht behandelt (siehe auch Infobox weiter unten). Ich habe mich für Deutschland entschieden, weil für mich nur eine offene Samenspende in Frage kam.

Mein Kind wächst nicht unter Standardbedingungen auf, aber es soll immer wissen, woher es kommt.

Sperma bestellt man in Halmen, gefroren. Ein Halm entspricht einem Versuch, schwanger zu werden, und kostet etwa 1500 Franken. Die Wahl des passenden Spenders war eine sehr surreale Erfahrung. Bei den Samenbanken kannst du nach verschiedenen Kriterien filtern, so wie wenn du auf Zalando shoppen gehst – mit dem Unterschied, dass du statt deiner Kleidergrösse die gewünschte Körpergrösse des Spenders eingibst.

Du kannst auch nach Haarfarbe, Augenfarbe, Hautfarbe, ethnischer Herkunft, sogar Religion filtern. Allergien, Blutgruppe, Sommersprossen, Links-/Rechtshänder. Für alles gibt es eine Auswahl.

Information

Das Schweizerische Fortpflanzungsmedizingesetz erlaubt die Samenspende nur für verheiratete Paare sowie seit Sommer 2022 auch für lesbische Ehepaare. Unverheiratete Paare und alleinstehende Frauen haben keinen Anspruch auf die Behandlung in einer Schweizer Kinderwunschklinik. Es gibt politische Bestrebungen, diese Regelungen anzupassen und alleinstehenden Frauen den Zugang zu erleichtern.

Als Folge des Verbots lassen viele Schweizer Frauen die Behandlungen im Ausland durchführen – meist in Deutschland, Spanien, Frankreich oder Dänemark. Nicht in allen Ländern sind die Rechte des Kindes geregelt. In Deutschland ist seit 2018 ausschliesslich die offene Samenspende erlaubt. Das heisst, durch Samenspende gezeugte Kinder haben ein gesetzlich verankertes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung. Sie können nach ihrem 16. Geburtstag beim zentralen Spenderegister Auskunft über ihren biologischen Vater verlangen.

Die Zahl der Kinderwunschbehandlungen von Solomüttern in Deutschland ist von 146 im Jahr 2018 auf 1287 im Jahr 2022 gestiegen (Quelle: tagesschau.de). Exakte Zahlen, wie viele Single Mothers by Choice es in der Schweiz oder weltweit gibt, existieren nicht. Gemäss Cryos International, der nach eigenen Angaben grössten Samenbank der Welt, sind mehr als die Hälfte der mit ihrem Sperma behandelten Frauen Singles.

Ausserdem enthalten die Spenderprofile Schrift- und Stimmproben und ausführliche Persönlichkeitstest. Und man sieht Kinderfotos der Spender. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich mich durch einen Katalog klickte und mir ein Kind aussuchte.

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Erst machte mir das ein schlechtes Gewissen. Doch dann musste ich mir sagen: Auch auf einem Datingprofil hast du gewisse Vorstellungen vom Gegenüber. Auch wenn du in eine Bar gehst, wirst du nicht von jedem angezogen.

Ich habe bei der Spenderwahl nicht ans Kind gedacht, sondern mich gefragt: Wer wäre mein Traumpartner?

Doch auch mit den mir wichtigsten Filtern war die Auswahl noch immer überwältigend und überforderte mich. Also habe ich tatsächlich mithilfe einer Nutzwertanalyse in einem Excel-File meine Top drei ermittelt.

Dann musste das Bauchgefühl entscheiden. Bei einem fand ich: Wenn das jetzt ein Datingprofil wäre, hey, den würde ich unbedingt kennenlernen wollen. Er mochte Hunde und spielte Gitarre, das machte ihn sympathisch.

Vier Halme in den Warenkorb. Eindeutig der teuerste Warbenkorb meines ganzen Lebens.

Checkout.

Grosses Herzklopfen, innerlicher Jubel und ein mulmiges Gefühl.

Für mich war es ein riesiger Schritt, eine Lebensentscheidung.

Für die Kinderwunschklinik war ich nur eine Patientin von vielen. Mithilfe einer Kinderwunschbehandlung schwanger zu werden, hat nichts mit Romantik zu tun. Das muss man sich bewusst sein. In der Klinik geht es sehr geschäftig zu und her, es ist ein grosses Business.

Die Insemination selbst dauert nur ein paar wenige Minuten. Lustigerweise war die Reaktion von meinen Freundinnen, als ich ihnen erzählte, wie es ablief, fast bei allen gleich: «Ach Aline, auch bei uns Paaren war der Zeugungsakt nicht wirklich viel länger und romantischer, vor allem wenn man versucht, schwanger zu werden

Die zwei Wochen, die ich jeweils warten musste, ehe ich einen Schwangerschaftstest machen konnte, waren lang und nervenzehrend.

Ich hoffte so sehr, dass es funktioniert hat, und hatte gleichzeitig Angst, weil es funktioniert haben könnte.

Die Zweifel kamen vor allem spätabends oder in der Nacht. Es begann mit einem Gedanken, wurde zum Gedankenkarussell und wenn ich nicht aufpasste, war ich kurz vor einer Panikattacke. Fragen rund ums Geld, um meinen Job, um die Vereinbarkeit, um meine Gesundheit, um mein Leben, um die Gesundheit meines Kindes.

Diese Gedanken macht sich wohl jede werdende Mutter und auch jeder Vater. Nur hatte ich in diesen Momenten kein zweites Elterteil, mit dem ich über meine Zweifel hätte sprechen können. Ich hatte Angst, das alles nicht alleine zu packen.

Das waren die Momente, in denen ich mich sehr einsam fühlte.

Tagsüber konnte ich die Herausforderungen, die als Solomutter zweifellos auf mich warten würden, sehr rational anschauen, hatte pragmatische Lösungen und die Zweifel lösten sich schnell auf. Und ich hatte meine Freundinnen und meine Schwester, die mir Mut machten: «Du bist nicht alleine. Wir sind auch da.»

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Als es auch mit der vierten Insemination nicht geklappt hatte, wechselte ich den Spender und die Methode. Mit einer Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) sollten meine Chancen deutlich höher sein. Und tatsächlich: Auf den Tag genau ein Jahr nach dem ersten Informationsgespräch in der Kinderwunschklinik, an Tag 13 nach dem Embryotransfer, hielt ich einen positiven Frühtest in der Hand.

Ich war schwanger!

Als erstes habe ich meine Schwester eingeweiht, die zu diesem Zeitpunkt selbst im 6. Monat schwanger war, danach zwei gute Freundinnen. Meinen Eltern, die nichts von der Kinderwunschbehandlung wussten, habe ich es erst etwa in der 11. Woche erzählt.

Bei meinem Vater war ich wahnsinnig nervös, da er über 70 und eher konservativ eingestellt war. Zu meinem Erstaunen hat er sich sofort gefreut und gesagt, er habe erst gerade einen Bericht über eine Single Mom by Choice im Fernsehen gesehen. Und er fände das gut, er fände das richtig, dass ich das mache.

Mir fiel fast die Kinnlade runter.

Meinem Vorgesetzten erzählte ich gleich nach der 12. Woche von der Schwangerschaft und dass ich das Kind alleine aufziehen werde. Er musste wissen, dass ich diejenige sein werde, die daheim bleiben muss, wenn mein Kind krank ist. Dass ich keinen Unterhalt bekommen werde. Dass es niemand anderen geben wird.

Zur Geburt ist meine Schwester mitgekommen. Vor allem damit mein Sohn nicht alleine gewesen wäre, falls mir bei der Geburt etwas passiert oder eine Notoperation nötig geworden wäre. Auch im Wochenbett hatte ich sehr viel Unterstützung von meiner Familie.

Etwa zwei Monate nach der Geburt von Finnian wurde ich von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eingeladen. Das ist Standard. Wenn in der Geburtsurkunde kein Vater vermerkt ist, eröffnen sie ein Verfahren. Die KESB-Mitarbeiterinnen waren sehr nett, aber ich musste komplett die Hosen runterlassen. Ich wurde gefragt, wie meine Familie ist, wie meine Umstände sind, wie es um meine Finanzen steht, wie ich die Kinderbetreuung würde abdecken können. Dinge, die man nicht nur Solomütter fragen sollte, sondern konsequenterweise alle neuen Eltern.

Es hat mich sehr nervös gemacht, so abhängig vom Urteil Fremder zu sein.

Wenn sie zum Schluss gekommen wären, ich sei nicht fähig, mich alleine um mein Kind zu kümmern, hätte es einen Beistand bekommen. Und wenn sie gefunden hätten, das Kind sei gefährdet, hätten sie es mir weggenommen. Zum Glück war mein Fall nach zwei Tagen abgeschlossen.

Wenn mich heute jemand nach unserer Familiensituation fragt, sage ich einfach: «Es gibt nur Finnian und mich.» Für die meisten Leute ist das als Antwort ausreichend. Negative Reaktionen habe ich bisher keine bekommen.

Dass mein Kind ohne Vater aufwächst, scheint die Leute weniger zu stören, als dass ich als Mutter vier Tage pro Woche arbeiten gehe.

Ja, ich arbeite 80 Prozent, seit Finnian sechs Monate alt ist und er geht an unserem Wohnort in die Kita. Der Job braucht das. Wenn ich reduzieren würde, hätte ich für weniger Geld immer noch gleich viel Arbeit. Ausserdem will ich meinem Kind gewisse Dinge bieten können, die ich in meiner Kindheit auch erleben durfte. Sommerferien zum Beispiel – nicht in einem Luxushotel, aber vielleicht in einem Bungalow am Mittelmeer. Skifahren lernen. Solche gemeinsamen Erinnerungen möchte ich mit meinem Kind schaffen.

Ich möchte meinem Sohn ein Vorbild sein. Ihm zeigen, dass jede:r im Leben das machen soll, was für sie oder ihn passt.

Als berufstätige Solomutter muss ich Abstriche machen.

Alles geht nicht. Manchmal halte ich inne und frage mich, was jetzt wirklich wichtig ist. Das ist in dem Moment dann vielleicht miteinander spielen, ein Buch vorlesen oder spazieren gehen statt Brei kochen und die Wohnung auf Hochglanz polieren.

Ich spüre schon sehr viel Druck – vielleicht mache ich ihn mir auch selbst.

Dass ich mega organisiert sein muss, dass mir kein Fehler passieren darf, dass mir das sonst sehr schnell zum Verhängnis werden könnte. Als Solomutter werde ich anders beurteilt als andere Eltern. Ich muss beweisen, dass ich alles im Griff habe. Ich darf nicht versagen.

Auch beklagen darf ich mich nicht. Das war schon in der Schwangerschaft so: Wenn ich mal sagte, dass es mir schlecht geht, kam grad: «Du wolltest das ja so. Du hast es dir ja so ausgesucht.»

Ich habe Angst davor, dass es später einmal als mein Verschulden angeschaut wird, falls mein Sohn in irgendeinem Punkt nicht der Norm entsprechen sollte. Nicht so gut in der Schule? Logisch, wenn das arme Kind ohne Vater aufwächst. Und mit einer Mutter, die so viel arbeitet.

Wenn du dich für einen solche Weg entscheidest, musst du für dich auch klären: Hey, bei wem ist’s mir wichtig, was er oder sie denkt und bei wem nicht? Das wird wohl für mich die grösste Herausforderung: mit den Urteilen von aussen umgehen und sie nicht zu nah an mich heranlassen. Nicht dauernd in einen Verteidigungsmodus fallen. Es muss nicht allen passen.

Nicht alle müssen mich und mein Lebensmodell verstehen.

Denn trotz aller Herausforderungen, ich bin wahnsinnig glücklich als Solomama und finde unser Leben wunderbar. Und es gibt viele positive Aspekte im Leben als Single Mom: Ich muss mich nur um jemanden kümmern. Ich kann Entscheidungen alleine treffen, muss mich nicht absprechen. In Erziehungsfragen kann mich mein Kind später nicht gegen das andere Elternteil ausspielen.

Finnian hat keinen Papi, er hat einen biologischen Vater.

Ein Papi ist für mich eine Bezugsperson. Ich finde, das muss man unterscheiden. Mein Sohn soll von Anfang an wissen, wie er entstanden ist. Ich habe ganz viele tolle Kinderbücher, die das altersgerecht erklären. Und ich möchte mit ihm auch irgendwann nach Dänemark reisen, ins Heimatland seines biologischen Vaters.

Im Babyalbum habe ich ihm eine ganze Seite gewidmet, mit Kindheitsfotos und weiteren Angaben zu seiner Person. Auch das Samenspender-Profil möchte ich für Finnian binden lassen. Auf diesen rund 40 Seiten steht mehr, als viele Kinder über ihren Vater oder Frauen über ihren Partner wissen.

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Mir ist es wichtig, dass Finnian enge männliche Bezugspersonen hat, darum hat er nebst einem Gotti auch zwei Göttis. Mein eigener Vater ist auch oft bei uns. Ich glaube nicht, dass mein Sohn etwas vermissen wird. Ohne Vater aufzuwachsen wird für ihn normal sein, er kennt es ja nicht anders.

Natürlich mache ich mir Gedanken, ob Finnian mir eines Tages zum Vorwurf machen wird, dass ich mich für diesen Weg entschieden habe. Handkehrum denke ich, er wird ja wissen, dass es ihn sonst gar nicht geben würde.

Und dass er ein absolutes Wunschkind ist, für das ich mich sehr bewusst entschieden und auch einiges auf mich genommen habe.

Ich wurde schon oft gefragt, ob es noch ein zweites Kind geben wird. Eine Portion der Samenspende ist noch bei der Klinik gelagert. Innerlich bin ich noch nicht bereit, sie vernichten zu lassen. Trotzdem kann ich mir aktuell als Single Mom kein zweites Kind vorstellen. Finanziell müssten wir zu grosse Abstriche machen, wenn sich die Kitakosten verdopplen würden.

Was die Zukunft bringt? Ich habe nach wie vor die Hoffnung, irgendwann den Mann fürs Leben zu finden, aber das hat nicht mehr den Stellenwert, den es früher hatte. Es geht nicht mehr ums Kinderkriegen. Ich habe das Gefühl, mir ist ein grosser Druck genommen worden.

Wenn ich jetzt jemanden kennenlerne, muss es nur für mich passen.

Natürlich gibt es mich nur noch im Doppelpack. Aber ich brauche keinen Ersatzvater für Finnian.

Ich selbst bin in einer – sagen wir mal – perfekten Familie gross geworden, aber meine Eltern haben oft gestritten, schon von Anfang an. Das hat mich geprägt. Die Konflikte waren für mich eine riesige Belastung und ich habe mir immer gesagt, ich will nicht, dass mein Kind in so einer Atmosphäre aufwächst.

Ich finde es viel wichtiger, meinem Sohn ein schönes, friedliches Daheim bieten zu können, als die perfekte 08/15-Familie.

Ich würde mir wünschen, dass es in Zukunft auch in der Schweiz möglich wird, als alleinstehende Frau eine Kinderwunschbehandlung in Anspruch zu nehmen, dass Frauen dafür nicht mehr ins Ausland gehen müssen. Ganz allgemein, dass das Familienmodell Single Parent by Choice (ja, auch für Männer!) anerkannt wird. Dass wir als Gesellschaft offener werden für alle Arten von Familien.

Denn ich bin überzeugt: Das Wichtigste für ein Kind ist bedingungslose Liebe, völlig unabhängig davon, in welcher Familienkonstellation es aufwächst.

Auf Alines Wunsch haben wir für den Namen ihres Kindes ein Pseudonym gewählt; ihr Sohn heisst in Wirklichkeit anders. Dieser Beitrag wurde von unserer Autorin Sandra Trupo im Austausch mit Aline aufgezeichnet und verdichtet.

Porträtfoto von Sandra Trupo-Kuhn - Redaktion mal ehrlich AG - www.mal-ehrlich.ch

Autorin

Als freie Journalistin schreibt Sandra Trupo-Kuhn (Jg. 1984) über all das, wofür ihr Herz schlägt, vom Muttersein über Inklusion bis zum Regionalfussball – am liebsten mitten in der Nacht. Sie lebt als «Huhn im Korb» mit ihrem Mann, drei Söhnen (geboren 2012, 2014 und 2017) und einem Kater im Zürcher Unterland, schwankt täglich zwischen Chaos und Perfektionismus und ist immer für absurde Abenteuer zu haben. Sandra ist seit 2019 Teil unserer Redaktion.

Informationen zum Beitrag

Veröffentlicht am 17. Oktober 2024


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5 Antworten

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  1. Avatar von Noelani
    Noelani

    Hallo Aline, ich spiele schon sehr sehr lange mit den Gedanken ebenfalls diesen Weg einzugehen und nun ist es bei mir endlich soweit dass ich Nägel mit Köpfe mache.
    Dabei hab ich auch manchmal noch Zweifel und Sorgen, obwohl ich mir dann im nächsten Moment denke dass sie unbegründet sind.
    Jetzt bin ich auf deinen Geschichte gestoßen und die zu lesen war einfach schön. Zu sehen und zu wissen das man nicht allein ist mit seinen Gedanken, hilft sehr.

    Ich wünsche dir und deinem Sohn alles gute und eine wunderschöne Zeit.

  2. Avatar von Janine
    Janine

    So toll beschrieben & an dich liebe Aline: Danke, dass du deine Gedanken & Gefühle sowie Erfahrungen so offen teilst!

  3. Avatar von Ani
    Ani

    Super Bericht! Du machst das genau richtig, Träume sollte man verwirklichen. Zweifle nicht und lass dumme Sprüche an dir abprallen. Mit dieser bewussten Entscheidung zeigst du ganz viel Stärke. Dein Sohn wird stolz auf dich sein, was du alles auf dich genommen hast💪🏻👍🏻❤️.

    Alles Gute euch beiden!

  4. Avatar von Vera
    Vera

    hat mich sehr berührt deine Geschichte, Aline. Ich hab keinen Zweifel, dass du deinem Sohn als single Mama by choice ein wundervolles Leben ermöglichst. Wie mutig von dir und ich kann die bedingungslose Liebe richtig spüren. Ich wünsche mir für euch beide, dass du Unterstützung holen kannst und auch bekommst in Momenten, wo es zu anstrengend und überfordernd ist, du auch einmal Zeit für dich brauchst und du deine Energiereserven auftanken kannst. Das geht uns (allen?) Mamas auch mit einem zweiten Elternteil so! Alles Liebe euch beiden

  5. Avatar von Corinne R.
    Corinne R.

    Es fantastisch Mami bisch, vomene unglaublich herzige chline Ma! Bin immer für eu da:-*