Dream big! Die Psychologin verrät ihre Life-Hacks
Das Leben als Familie ist sowieso nicht grad unkompliziert, Felizitas Ambauen aber pendelt zudem zwischen zwei Ländern. Klar, das gibt Packstress, Krisen… aber bringt auch Genuss – und Life-Hacks, die sie uns hier verrät.
Ein Mann mit zwei Kindern. Eine neue Frau. Zwei Welten. Ein weiteres Kind. Das sind wir! Eine Patchworkfamilie, die in zwei Ländern lebt und arbeitet. Wir jonglieren drei Kinder, viele Koffer und eine Menge Lebensfreude mit unserer Karawane durchs Leben. Immer einfach war das nicht, doch es bot mir ordentlich Potential, dazuzulernen. Und euch helfen meine Geschichte und meine persönlichen Life-Hacks hoffentlich auch – was auch immer ihr verwirklichen möchtet. Denn:
Es gibt viele Möglichkeiten, wie man sein Leben gestaltet!
«Wie würdest du es gern haben, wenn du zaubern könntest?», fragte er mich. Wir waren rund 1,5 Jahre zusammen und überlegten, ob wir aus der lockeren Wochenendbeziehung eine solide machen wollen, ob unsere Konstellation überhaupt funktionieren konnte. Ich stand ziemlich ratlos da.
Er lebte in Deutschland, ich in der Schweiz. Er hatte zwei Töchter im Grundschulalter, ich eine Katze. Er arbeitete dort, ich hier. 330 km schier unüberbrückbare Distanz, wenn man mehr als nur eine nette Wochenendbeziehung führen wollte. Doch dann fingen wir an, kreativ zu werden.
Wir fingen an, uns an Wochenenden zu besuchen. Zunächst war ich mehr in Deutschland, da die Kids von meinem Mann noch relativ klein waren. Später war er immer häufiger bei mir in der Schweiz, mal mit und mal ohne die Kinder.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Und nachdem wir das ganze Rösslispiel ein paar Jahre lang erfolgreich über die Bühne gebracht hatten, sagte ich an einem Abend beim Indischessen ziemlich unvermittelt, dass ich bereit wäre für ein gemeinsames Kind. Bereit für das nächste Level an Komplexität! Mein Mann antwortete schlicht und einfach: «Works for me!» – und lächelte mich verschwörerisch an. Ein paar Monate später war ich schwanger.
Wie funktioniert das jetzt mit der Patchworkfamilie, mit zwei Welten?
Es war Sonntag, wir lagen mit dem zweiten oder dritten Kaffee im Bett und fingen an, Ideen zu spinnen. Und da war sie wieder, die Wunderfrage! Wie soll denn das nur gehen mit einem Baby?! Auf einem grossen Blatt zeichneten wir ein Mind-Map mit Möglichkeiten und Ideen auf, und zwar alle – auch die unsinnigen! Dream Big! Den Bau eines Tunnels zum Beispiel oder die Anschaffung eines Helikopters (inklusive des damit notwendigerweise verbundenen Banküberfalls, um die finanziellen Mittel zu beschaffen).
Wir verliessen definitiv unser gewohntes Terrain und machten einen Master-Plan! Diesen haben mir mittlerweile zwar etliche Male wieder verworfen und überarbeitet, aber es funktioniert. Seit unsere Tochter auf der Welt ist, pendeln wir hin und her. Mit dem Aussendienstjob meines Mannes lässt sich das zum Glück vereinbaren. Ich arbeite intensiv in der Praxis, wenn wir in der Schweiz sind, und entspanne ebenso zielstrebig, wenn wir in Deutschland sind.
Manchmal kostet das Packen und Reisen viel Energie oder es ist einfach nur nervig, dass wir immer irgendwie aus dem Koffer leben (meine Unterwäsche z.B. kommt immer direkt vom Trockner in die Reisetasche). Manchmal zucke ich mit den Schultern, weil ich vergesse, wann wir wie lange in welchem Land sind, oder schaue den Betreuungsplan unserer Tochter skeptisch an, in der Hoffnung, dass wirklich alles aufgeht, niemand krank wird und alle Beteiligten die gleichen Daten und Uhrzeiten notiert haben. Alle Co-Worker unseres Systems müssen nämlich bereit sein, sich terminlich mindestens für sechs Monate im Voraus festzulegen, sonst geht das Puzzle nicht auf.
Doch jedes Mal, wenn wir wieder das Auto bepacken, spüre ich dieses Gefühl des Aufbruchs in mir, die Wanderlust, die Freude unterwegs zu sein und ich bekomme ein Leuchten in den Augen. Mir hüpft das Herz, wenn wir zu Hause losfahren und dann ankommen. Daheim.
Aber, #malehrlich: Krisen und Zweifel gibt es natürlich!
Trotz all meines Fach- und Hintergrundwissens als Psychologin bin ich nicht gefeit gegen die ganz normalen Krisen und Stolpersteine des Alltags als berufstätige Mutter und Partnerin. Ich habe manchmal Zweifel an meinen Kompetenzen als Mutter oder schwierige Momente in der Beziehung, stehe da und weiss nicht, wie ich die Dinge angattigen soll oder ich fühle mich gestresst und überfordert.
In solchen Situationen stelle ich mir vor, dass ich mit meinen Anliegen zu mir selbst in die Therapie gehe und frage mich um Rat. Ich bekomme mit dieser Technik mehr Distanz zu meiner Situation und kann meine Probleme klarer und objektiver beurteilen – und mir schliesslich guten Rat erteilen. Idealerweise mit viel Humor! Es kommt dann schon mal vor, dass ich mit mir spazieren gehe und eine Stunde lang Selbstgespräche führe (no kidding!).
Was wir da so reden, ich und ich? Nun, folgende Tipps konnte ich zum Beispiel schon von meinem Psychologinnen-Ich umsetzen:
Meine persönlichen Life-Hacks:
#1 Akzeptanz
Mein Psychologen-Ich sagt mir in schwierigen Situationen jedes Mal, dass der erste Schritt zu Veränderung die Akzeptanz der Situation ist. Wir alle haben die Tendenz, uns gegen schwierige oder ungewollte Emotionen und Situationen zu wehren, in der Hoffnung, sie damit verschwinden zu lassen oder sie durch unendlich langes Grübeln (vorzugsweise in der Nacht) vermeintlich zu lösen. Was passiert, ist leider das Gegenteil von Lösung: Wir sind ununterbrochen am Hadern und Zweifeln und es ändert sich nichts.
Deshalb übe ich anzunehmen, was mir das Leben gerade bietet. Es ist nicht so, dass mir das immer leicht fällt, aber ich spüre, wie hilfreich und wichtig es ist. Es macht Luft und ist enorm erleichternd! (Akzeptanz heisst allerdings nicht, dass man die Situation mögen muss, man darf auch sagen: „Es ist scheisse, aber es ist jetzt nun mal so!“, auch das ist Akzeptanz.)
#2 Tapetenwechsel – raus an die Luft!
Wir können eine Situation wie oben beschrieben nicht verbessern, indem wir uns ständig auf sie fixieren. Die Lösung liegt darin, sich vom Problem zu lösen und sich abzulenken. Am liebsten gehe ich raus an die Luft. Das erweitert den Horizont gleich in verschiedener Hinsicht. Übrigens ist das berühmte Drüberschlafen auch so ein Life-Hack! Nach einer Nacht Abstand fällt es mir meist viel einfacher, die Dinge objektiv zu sehen und eine gute Entscheidung zu fällen.
#3 To do or not to do
Mein Psychologinnen-Ich erinnert mich ständig daran, wie wichtig es ist, mein Leben zu strukturieren, um mich nicht darin zu verlieren. Sie sagt, ich solle eine To-do-Liste schreiben und diese priorisieren, auch Freizeit, Pausen und Auszeiten planen (am besten schon weit im Voraus) und nicht darauf hoffen, dass diese einfach so eintreten, nur um dann enttäuscht zu sein, wenn dem nicht so ist. Ich profitiere sehr davon, dass wir als Paar Zeiten in der Agenda blocken (bei uns meist den Sonntag), wo wir als Familie etwas unternehmen oder einfach für uns sind.
Da sage ich bei einer Anfrage zum Brunch an einem Sonntag ab mit der Begründung, wir hätten als Familie schon etwas vor, auch wenn in der Agenda ausser dem grellen rosa „Block“ nichts angemalt ist. Denn meistens wissen wir noch nicht, wie wir das geblockte Kästchen füllen. Blockieren wir diese Zeiten allerdings nicht frühzeitig, bliebe oft kaum freie, unverplante Zeit übrig und wir würden frustriert sein über unsere kleinen Zeitfenster.
Dies tun wir übrigens auch mit unseren Date-Nights! Die werden schon drei Monate im Voraus geblockt, auch wenn weder das Restaurant ausgewählt noch der Babysitter organisiert ist. Funktioniert bei uns bestens und gibt trotz mehr Planung schlussendlich mehr Freiheit.
- Hört dazu auch: Dauerstress? So klappt’s mit dem Abschalten
#4 Happy go lucky
Ich mache mir regelmässig Listen mit Dingen, auf die ich mich vorfreue! Und zwar vorzugsweise dann, wenn es gerade sehr hektisch ist. Entweder ich schreibe es mir auf einen Zettel, den ich dann an den Kühlschrank pinne, oder ich male mit einem knalligen Leuchtstift die schönen Dinge in meiner (analogen) Agenda an! So verschiebt sich mein Blick von den vielen Pendenzen auf das Positive und ich merke, dass es viel mehr im Gleichgewicht ist, als es sich vielleicht grad anfühlt!
#5 Manchmal ist Nichtstun die Lösung
Dieser Rat ist auf den ersten Blick etwas kontraintuitiv, da wir die Tendenz haben zu meinen, dass etwas zu Tun immer besser sei als hilflos dazusitzen. Manchmal ist es allerdings das Beste, einfach abzuwarten und nichts zu tun, weil sich gewisse Probleme und Engpässe von selbst lösen. Dies tue ich vor allem dann, wenn irgendwie kein Lösungsansatz so recht zu passen scheint. Dann sage ich mir: Ich warte eine Woche mit einer Entscheidung und wenn es bis dann immer noch schwierig ist, suche ich weiter. Das hat schon ein paar Mal zu meinem Seelenheil beigetragen.
- Lest dazu auch: Wieso macht mir Nichtstun so ein schlechtes Gewissen?
#6 Das schlechte Gewissen darf mit, aber es soll die Klappe halten
Oh, dies ist ein Klassiker und ich weiss nicht, wie oft ich mir das schon geraten habe! Wir gehen oft fälschlicherweise davon aus, dass sich etwas auch gut anfühlen muss, damit wir es überhaupt tun. So wollte ich zum Beispiel gerne wieder arbeiten, als unsere Tochter ein halbes Jahr alt war, aber eine Stimme in mir sagte mir andauernd, dass ich zu wenig für sie da sei oder meine Mutterpflichten nicht wahrnehme, egoistisch sei und den Ball gefälligst flach halten solle.
Es half mir sehr zu wissen, dass man manchmal das Richtige tut, auch wenn man dabei ein schlechtes Gewissen hat. Anstatt zu warten, bis ich kein schlechtes Gewissen mehr hatte (da hätte ich wohl lange warten können…), habe ich das schlechte Gewissen einfach in die Praxis mitgenommen und es ins Wartezimmer gesetzt. Es war schon bald erstaunlich wohlerzogen.
- Lest dazu auch: Me-Days und der ständige Kampf mit dem schlechten Gewissen
#7 Was du heut nicht musst besorgen, verschiebe lieber gleich auf morgen
In unserer Gesellschaft wird Leistung gross geschrieben! Die Dinge wollen erledigt werden! Und zwar am besten unverzüglich! Die Arbeit kommt vor dem Vergnügen! Und der frühe Vogel soll angeblich der erfolgreichste sein! Doch ist dem wirklich so? Vor allem, wenn man es langfristig betrachtet? Die Gefahr, irgendwann einfach nur noch erschöpft und miesgelaunt zu sein, ist dabei beträchtlich. Es ist wie Schneeschippen im Blizzard, es nimmt kein Ende.
Mein Psychologinnen-Ich rät mir deshalb zu üben, die Dinge etwas geruhsamer anzugehen, fünf gerade sein zu lassen oder gewisse Aufgaben gar nicht mehr zu tun. So mache ich an hektischen Tagen zum Beispiel die Küche nicht mehr fein säuberlich, sondern lasse nur den Geschirrspüler laufen (dreckig wird sie morgen ja sowieso wieder) oder delegiere gewisse Pendenzen an meinen Mann und lege mich derweil in die Badewanne. Diese Strategie verschafft mir oft viel Freiraum im hektischen Alltag – und freie Zeit für die wesentlichen Dinge!
- Lest dazu auch: Aufräumen? Liegen lassen! Wie frau lernt, sich mehr Freizeit zu nehmen
- Oder hört den Podcast: Good enough! Wie wir überhöhte Ansprüche loslassen
Wir haben versucht, das Unmögliche möglich zu machen.
Das Wagnis, diese Beziehung einzugehen und mit meinem Mann ein Kind zu bekommen, war für mich etwas vom Mutigsten und Besten, was ich je gemacht habe und bringt mich immer noch regelmässig an den Rand meiner Komfort-Zone. Vieles würde ich wieder genauso machen, anderes genau umgekehrt.
Meine wichtigsten Erkenntnisse:
#1 Lebe dein Leben und nicht das der Anderen
Ich frage mich heute regelmässig, ob ich gerade meine Lebensmotive lebe oder die Weltansichten und Erwartungen von anderen umzusetzen versuche. Das hört sich so logisch an und doch passiert es schnell und immer wieder: Wir lassen uns verleiten, so zu leben, wie es andere für richtig halten. Das hinterlässt eine ständige Unzufriedenheit und vergeudet viel wertvolle Energie.
Es hat mir sehr geholfen, dass ich mir immer wieder bewusst machte, dass ich nicht das Leben leben muss, welches der Norm entspricht und dass es ok ist, solange mein Mann und ich damit glücklich sind. Wichtig: Das muss man sich immer wieder sagen (oder sagen lassen), da sich die anderen Stimmen im Kopf schnell wieder einschleichen, die meinen, es besser zu wissen.
#2 Schliesse nicht von heute auf übermorgen
Ich achte mich heute gut, dass ich nicht vom Ist-Zustand auf die Zukunft schliesse. Zu schnell ändern sich die Dinge, als dass ich überhaupt erahnen kann, wie meine Welt in zwei Jahren aussieht. Deshalb beschränke ich meine Planung auf ca. 6-12 Monate. (Fragt mich also in zwei Jahren noch mal, wie wir das mit dem Kindergarten und der Einschulung machen wollen…)
Als ich meinen Mann kennenlernte, waren seine beiden Töchter erst gerade in der Primarschule und es schien unmöglich, dass er sich weiter als ein paar Kilometer von ihnen weg bewegt. Ich hatte allerdings den Hang zu denken, dass sich das niemals ändern wird und wir deshalb keine Lösung für uns finden werden. Es half mir sehr, mich daran zu erinnern, dass die Kinder grösser werden und somit der Radius für ihn als Vater.
Und siehe da: Plötzlich war es denkbar, sogar ein weiteres Kind zu planen und viel mehr Zeit in der Schweiz zu verbringen. Ohne diese Strategie hätte ich die Beziehung vermutlich spätestens nach einem Jahr beendet.
#3 Guter Rat will gut gewählt sein
Eine meiner wichtigsten Lernerfahrungen in den letzten Jahren ist, dass ich ganz genau überlege, wen ich um Rat frage. Denn nur zu oft raten die um Rat Gefragten aus ihrer Perspektive und nicht aus meiner. Das heisst, sie raten mir, was sie tun würden, wenn sie an meiner Stelle wären, und nicht, was ich tun soll. In anderen Worten: Der Rat, den ich erhalte, nützt mir nichts, weil die Ratgebenden keinen Perspektivenwechsel machen, sozusagen nicht „in meinen Schuhen laufen“.
So habe ich oft gehört: „Akzeptiere es, diese Beziehung kann nicht funktionieren!“, oder „Du musst Dich schon entscheiden: Schweiz oder Deutschland. Du kannst nicht das Weggli und den Batzen haben!“ Übersetzt hiess das allerdings: „Oh Mann, wenn ich mir vorstelle, dass ich da drin stecken würde, ich würde das nicht wollen und ich glaube auch nicht, dass das für mich funktionieren würde!“ oder „Ich wäre nicht bereit, diesen Packstress die ganze Zeit zu haben, aus dem Koffer zu leben und nirgends so richtig zu Hause zu sein!“
Ich habe mir meine Ratgeber in der Folge sehr vorsichtig ausgesucht und nur noch die angehört, welche meine Perspektive eingenommen haben. Für mich mittlerweile einer meiner Top-3-Life-Hacks!
Unser Leben ist ein Intervalltraining …
… es ist Tetris spielen – und schlussendlich das passendste Lebensmodell, das ich mir für uns im Moment vorstellen kann. Wir haben das Beste aus zwei Welten herausgeholt! Sagen wir mal so: Früher habe ich gebremst, wenn die Ampel von grün auf orange sprang, heute schätze ich ab, ob ich es schaffen kann und trete dann ordentlich aufs Gas!
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 13. Juli 2018 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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