Wenn nichts mehr geht: knapp am Burnout vorbei
«Es geht schon!» So lange, bis nichts mehr ging. Das Burnout musste direkt vor der Tür stehen, bis ich die Notbremse zog. Und merkte, was ich schon viel früher hätte realisieren sollen.
Monatelang stand ich unter Strom. Dann kam der Stromausfall. Wie ich an einem Burnout vorbeirasselte…
Das Hirn läuft auf Hochtouren. Verträge aushandeln. Kuchen backen für diverse Schulevents. Den Grossen zur Töffliprüfung fahren. Hat mein Mann jenen Termin gesehen? Nochmal überprüfen. Die Grossmutter zum Arzt begleiten. Schon wieder ein Mail von diesem Geschäftspartner, dessen niveauloser Ton an Trump erinnert. Und noch ein Problemfall mit Kunden, den wir zwar nicht verschuldet haben, aber ausbaden müssen.
So sahen meine letzten Monate aus. Eure vielleicht auch.
Jeden Tag das Karussell im Kopf.
Inklusive Wochenenden. Und jeden Tag dachte ich „jetzt kann ich bald nicht mehr“ – und machte dennoch weiter. Andere tun es schliesslich auch. Und mein Mann hat auch Stress, was beklage ich mich also?
Es kribbelte immer wieder unter der Schädeldecke, extreme Schwindelanfälle kamen in immer kürzeren Abständen. Ich hatte oft Mühe zu atmen, mein Brust tat weh, weil da zu viel Luft drin war. Magenbrennen. Rückenschmerzen. Bauchschmerzen. Aber ich machte weiter. Ignorierte die Burnout-Symptome. Denn es waren ja nur noch zwei Wochen bis zu den Sommerferien. „Endspurt“ hörte ich auch viele andere Mütter sagen und dabei leicht verzweifelt lachen. Mir war das Lachen vergangen, aber das lag wohl daran, dass ich nicht so belastbar war wie andere, oder?
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
War ich wirklich weniger belastbar oder eher Burnout-gefährdet?
Die Empfehlungen meiner Familie und Freunde wimmelte ich genervt ab.
Es geht schon.
Es ging ja. Irgendwie. Nachts lag ich wach und hatte Listen im Kopf, formulierte Mails an besagten niveaulosen Geschäftspartner, fand Lösungen für Probleme, die noch gar nicht existierten. Hatte Angst. Angst zu versagen, Angst, etwas zu vergessen oder falsch zu machen. Wäre ja nicht das erste Mal. Aber auch Angst, meiner Familie auf den Wecker zu gehen, weil ich dauernd schlecht gelaunt und reizbar war. Mein Mann würde mich sicherlich bald für eine besser gelaunte Frau verlassen…
Tagsüber schob ich alles vor mir her, Haushalt, Mails, sagte Termine ab und verplemperte meine Zeit zur Ablenkung auf Facebook, wo ich neidisch auf alle war, die ihr Leben offenbar so viel besser im Griff und Spass dabei hatten.
Ich hatte schon lange keinen Spass mehr.
Ich sah kaum Menschen, denn das hätte ich ja auch noch organisieren müssen. Zog eine grosse, schon lange geplante Sommerparty mit über 50 Gästen durch, obwohl mir so gar nicht nach Feiern war. Lächelte, mimte die Lustige, bemühte mich und machte weiter.
Damit ihr mich richtig versteht: Ich gehöre auf keinen Fall zu den perfektionistischen Supermüttern, die sich damit brüsten, alles unter einen Hut zu kriegen. Ich bin sogar ziemlich oft sehr schlecht darin, alles unter einen Hut zu quetschen. Aber ich konnte bis anhin gut damit leben und delegierte halt, was ging.
Bis nichts mehr ging.
Eines Morgens kam ich nicht mehr aus dem Bett. Ich wollte nur noch schlafen – aber nicht, weil ich müde war, sondern weil ich der Welt, meinem Geschäft, den Terminen und ja, auch der Familie entkommen wollte. Stromausfall sozusagen. Ich kannte solche Zustände von anderen, die sie mir beschrieben hatten. Es selber zu erleben, war aber dann doch sehr schockierend.
Wenn der Körper so bleiern ist, dass er schlicht NICHT KANN. Nicht nicht will, sondern nicht kann. Wie bei einer sehr starken Grippe, wie wenn man dir das Blut aus den Adern gelassen hat. Liegen, bitte nur liegen bleiben und nichts müssen. Bettdecke über den Kopf ziehen und erst wieder aufwachen, wenn alles geregelt ist.
Das Gemeine war, dass es mir erst so ging, als alles vorbei war. Den Ärger mit dem Geschäftspartner hatten wir in den Griff gekriegt, die Kids hatten nur noch ein paar Tage Schule, unsere Kunden waren unterwegs und zufrieden, mein Team war total selbstständig unterwegs, die Ferien standen vor der Tür. Es kam jetzt eigentlich die Zeit, in der ich mich hätte entspannen sollen.
Und genau dann sowas? Burnout-Symptome?
„Entlastungsdepression“ nannte es meine Ärztin, bei der ich nach der letzten Atemnotkrise dann doch noch war. «Wenn Sie so weitermachen, ist Ihnen das Burnout und die Klinik sicher. Ich mache Ihnen ein Arztzeugnis und sie tun erst mal zwei Wochen lang gar nichts.»
Hahahaaaa! Das soll wohl ein Witz sein! Wie bitte schön soll das gehen? Ich muss doch noch dies abschliessen und das organisieren und jenes packen. Ich kann nicht einfach 14 Tage untertauchen!
Wir haben uns dann drauf geeinigt, dass ich nur noch vormittags arbeite und nachmittags was für mich tue. (Das hat nicht ganz so gut geklappt wie erwünscht, aber zu wissen, dass nachmittags eigentlich niemand was von mir will, war schon befreiend.) Meine Familie zog mit, mein Mann, mein Team und meine Eltern halfen mir, wo sie konnten.
Dennoch war der Frust gross.
Wieso bin ich so wenig belastbar?
Andere schaukeln Millionenunternehmen, Kinder und Hobbies. Bin ich schwach? Bin ich nicht als Unternehmerin und Mutter geeignet? Kann man überhaupt die ganze Zeit so unter Strom stehen? Meine Ärztin sagt: Nein, das ginge eben nicht.
Stress ist an sich ja eine gute Sache. Evolutionstechnisch sind wir darauf programmiert, bei Stress zu kämpfen, er versetzt uns in Alarmbereitschaft, damit wir nicht gefressen werden. Punktuell macht Stress also durchaus Sinn. Chronischer Stress hingegen versetzt uns in dauernde Alarmbereitschaft. Unser Hirn steht unter Strom, wir laufen 24/7 auf Hochtouren. Wir versuchen dann, den Stress auszugleichen und stressen uns damit noch mehr.
Und irgendwann macht der Körper nicht mehr mit. Zackbumm: Burnout.
Folgende Symptome sind typisch für chronischen Stress und drohendes Burnout:
- Schlafstörungen (nicht einschlafen oder durchschlafen können)
- keine Lust auf Sex (oder im Fall von Jungmüttern: noch weniger Lust auf Sex)
- Vergesslichkeit
- allgemeine Unlust (Freunde zu sehen, Hobbies nachzugehen)
- schlechte Ernährung, da keine Lust zu kochen
- Bewegungsmangel, denn das bräuchte ja ebenfalls Zeit
- Probleme sehen, wo keine sind
- Reizbarkeit, schlechte Laune
- Schmerzen aller Art
- Verdauungsstörungen
Dauerstress bzw. chronischer Stress kann, wenn nicht erkannt und behandelt, sogar zu Alzheimer, Osteoporose und weiteren Krankheiten führen, die von einem gestörten Stoffwechsel herrühren.
Es hilft also alles nichts, wir müssen entschleunigen. Was heute in aller Munde ist und leicht esoterisch anmutet, ist eben die einzige Lösung: ACHTSAMKEIT.
Achtet auf euch, auf die Signale des Körpers.
Und zwar BEVOR ihr eines Morgens nicht mehr aufstehen könnt.
Diesen Text schreibe ich aus den Ferien. Ich sitze an der baskischen Küste, schaue aufs Meer und frage mich, wieso ich es soweit kommen liess. Die Vögel zwitschern, das Meer rauscht. Bald geht es zum Strand, mit meiner Familie, meinem Mann, mit denen ich diese Ferien geniesse wie schon lange nicht mehr.
Denn Tatsache ist: Der Stress der letzten Monate hat sich nicht gelohnt! Sich krank zu machen für mühsame Geschäftspartner, Kunden, die Schule oder sonstige Probleme, die genauer betrachtet keine sind, muss nicht sein. Nach ein paar Monaten existieren die meisten Probleme nicht mehr und man merkt, dass das einzig Wichtige die Gesundheit ist. Meditiert, spaziert, macht Sport, was immer euch glücklich macht, aber achtet auf euch!
Wie man abschaltet, Dauerstress oder gar ein Burnout vermeidet?
- Meditationsapps gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Mir gefällt Headspace sehr gut.
- Wer kein Yogastudio in der Nähe hat, kann mit Yoga Gaia ganze Programme durchlaufen, auch für diverse Rückenprobleme oder einfache Entspannungsübungen.
- In der Natur spazieren hat mir auch sehr geholfen.
- An meinen freien Nachtmittagen habe ich viel geschlafen, gelesen und sass einfach im Garten und tat NICHTS. Im Moment leben und nicht dauernd daran denken, was noch gemacht werden muss, klingt esoterisch, hilft aber wirklich!
Wer weitere Tipps für Achtsamkeit hat, gerne hier in den Kommentaren erwähnen!
Übrigens: Manchmal möchte Nathalie Sassine-Hauptmann einfach nur «Allein, allein» sein – ohne Mann und Kinder, dafü mit ganz viel Netflix und Sushi.
Und hier gibt sie eine Anleitung für «Kleine Auszeiten vom Alltag».
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 12. Oktober 2018 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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